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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman
Autoren: Stephen King
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ob der andere das weiß? Wie auch immer, ich fragte ihn, ob er sich denn verkleiden wollte, wenn auch nicht als Cowboy oder Snake Hunter oder Major Pike. Er fuchtelte mit einem Arm und sprang im Zimmer herum. Nach einer gewissen Zeit kam ich dahinter, daß er mit seiner Pantomime einen Schwertkampf zum Ausdruck bringen wollte.
    »Als Pirat?« fragte ich, & sein ganzes Gesicht erstrahlte in dem süßen Seth-Garin-Lächeln.
    »Piat!« sagte er, dann gab er sich noch mehr Mühe und sprach es richtig aus: »Pirat!«
    Also suchte ich ein altes Seidentuch, das ich ihm um den Kopf binden konnte und gab ihm einen goldenen Ohrring mit Klip und ein Paar von Herbs alten Pyjamahosen als Pantalons. Ich zog unten Gummiband ein, und sie bauschte sich genau richtig. Mit einem Mascarabart, einer Narbe aus Lidstrich und einem alten Spielzeugschwert (das ich mir von Cammie Reed nebenan borgte, ein Andenken an die Kindheit ihrer Zwillinge) sah er richtig schick aus. Und als ich gegen vier Uhr mit ihm hinausging, um unseren Block der Poplar Street und zwei Blocks der Hyacinth »abzugrasen«, sah er nicht anders aus als alle Kobolde und Hexen und Barneys und Piraten. Als wir zurückkamen, breitete er seine sämtlichen Süßigkeiten auf dem Wohnzimmerboden aus (er ist den ganzen Tag nicht im Erkerzimmer gewesen, um fernzusehen, Tak muß tief schlafen, ich wünschte, der Dreckskerl wäre tot, aber das ist wohl zuviel der Hoffnung) & strahlte, als wären sie wirklich ein Piratenschatz. Dann umarmte er mich und gab mir einen Kuß auf den Hals. So glücklich. Scheiß auf dich, Tak. Scheiß auf dich. Scheiß auf dich, und ich hoffe, du stirbst.
     
    16. März 1996
     
    Die letzte Woche war schrecklich, einfach schrecklich, Tak hatte fast ununterbrochen die Oberhand und war außer sich. Überall Geschirr, Gläser mit Schokoladenmilchrändern, das Haus ein einziger Schweinestall. Ameisen! Herrgott, Ameisen im März! Es sieht aus wie ein Haus, in dem Irre wohnen, und ist das so weit von der Wahrheit entfernt? Meine Brustwarzen brennen, so oft hat es mich gezwungen, mich zu kneifen. Natürlich weiß ich, warum; es ist wütend, weil es nicht tun kann, was es mit seiner Version von Cassandra Styles tun will. Ich ernähre es, ich kaufe ihm die neuen MotoKops-Spielsachen, die es haben will (und natürlich die Comics, die ich ihm vorlesen muß, weil Seth nicht lesen kann), aber für diesen anderen Zweck bin ich nutzlos. Verbrachte so viel Zeit dieser Woche, wie ich konnte, mit Jan.
    Heute, als ich versuchte, ein wenig zu putzen (meistens bin ich zu erschöpft und niedergeschlagen, es auch nur zu versuchen) zerbrach ich den Lieblingsteller meiner Mutter, den mit der Schlittenszene von Currier & Ives. Tak hatte nichts damit zu tun; ich nahm den Teller vom Sims im Eßzimmer, wo ich ihn aufgestellt habe, weil ich ihn ein bißchen abstauben wollte, & er rutschte mir einfach aus meinen dummen Fingern und zerbrach auf dem Boden. Zuerst dachte ich, mein Herz wäre ebenfalls gebrochen. Selbstverständlich nicht wegen dem Teller, so sehr ich ihn immer gemocht habe. Plötzlich sah ich mein ganzes Leben, nicht nur einen alten Porzellanteller, der in Scherben auf dem Eßzimmerboden lag. Billiger Symbolismus, würde Peter Jackson von gegenüber wahrscheinlich sagen.
    Billig & sentimental. Das stimmt wahrscheinlich, aber wenn wir leiden, sind wir selten kreativ.
    Ich holte einen Müllsack aus Plastik aus der Küche & hob die Scherben auf, wobei ich die ganze Zeit schluchzte. Ich hörte nicht einmal, wie der Fernseher ausgeschaltet wurde -Tak & Seth haben fast den ganzen Tag ein MotoKops 2200- Festival veranstaltet -, aber dann fiel ein Schatten über mich, ich schaute auf, und da stand er.
    Zuerst dachte ich, es wäre Tak - Seth war fast die ganze letzte Woche weg oder hat sich im Hintergrund gehalten -, aber dann sah ich die Augen. Sie benützen beide dasselbe Paar, man sollte meinen, daß Augen sich nicht verändern, nicht verändern können, aber es ist trotzdem so. Seths Augen sind heller und können ein Gefühlsspektrum ausdrücken, zu dem Tak niemals imstande wäre.
    »Ich habe den Teller meiner Mutter zerbrochen«, sagte ich. »Er war mein einziges Andenken an sie, und er ist mir einfach aus der Hand gerutscht.«
    Dann ging es schlimmer denn je los. Ich schlang die Arme um die Knie, preßte das Gesicht darauf & weinte einfach. Seth kam näher, legte einen Arm um meinen Nacken & umarmte mich. Dann geschah etwas Wunderbares. Ich kann es nicht erklären, aber es
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