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Regency Reality-Show

Regency Reality-Show

Titel: Regency Reality-Show
Autoren: Martina Hertig-Binz
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Frühstück haben Sie verpasst und wenn Sie rechtzeitig zum Mittagsimbiss unten sein wollen, müssen Sie jetzt aufstehen.“
    „Anna, kann ich bitte baden, oder macht das zu viel Mühe.“
    „Das Bad steht bereit. Higgins hat einen Lakai zu meiner Unterstützung abgestellt. Lochlann – ein echter Schotte. Wie der redet, als ob nichts in der Welt ihn aus der Ruhe bringen könnte. Alles was er sagt wirkt so romantisch und Komplimente machen kann der –„
    „Ist es möglich, dass Du dich ein Bisschen verliebt hast, Anna?“
    Ihr verträumter Blick sagte alles. Bei so vielen kleinen Geschichten und persönlichen Tragödien und Komödien würde sich der Sender die Finger lecken und bestimmt eine abwechslungsreiche Zusammenfassung für das grosse Publikum zusammenstellen können. Ich seufzte. Ein Tag vorbei – auf in den zweiten. Was mich heute wohl erwartete? Ob der Sender mir viele Regieanweisungen zukommen lassen würde? Wie solche wohl aussehen mochten? Vielleicht in etwa so: Sei lauter, streite Dich mit jemandem, spucke bei Tisch Deinem Nachbarn ins Gesicht – nö, wohl kaum. Einerseits wünschte ich mir eine Regieanweisung, weil ich unbedingt wissen wollte, was der Sender von mir erwartete, andererseits würde ich mich besser entfalten und mit der Rolle fliessen können, wenn ich spontan improvisieren und mich vollkommen in die Rolle hineinsteigern konnte. Also, es war entschieden: Ab sofort wollte ich nicht mehr als Lea sondern als Gertrud denken. Der Sender und seine Wünsche wollte ich vergessen und die gesamte Aussenwelt. Im Moment gab es nur dieses Leben hier.
     
    Anna half mir mit geübten Handgriffen aus dem Nachthemd und schrubbte mir anschliessend in der Wanne den Rücken. So liess es sich leben.
    „Kannst Du mir bitte die Schultern massieren?“
    Ich lehnte mich wohlig mit geschlossenen Augen zurück und fing wie eine Katze zu schnurren an. Jedenfalls machte ich fremdartige Geräusche, die dem nahekamen.
    „Sind alle anderen schon auf? Waren Mama und Papa beim Frühstück?“
    „Ihre Lordschaft und ihre Ladyschaft haben zeitig gegessen, dann ist Ihr Herr Papa ausgeritten und die Mama hat sich mit einigen Damen in den rosa Salon zurückgezogen, wo sie gestickt haben.“
    „Oh nein, Papa ist ohne mich ausgeritten? Ob er nochmals mit mir mitkommt? Direkt nach dem Mittagessen will ich unbedingt Flora ausführen.“
    „Das Reitkostüm können Sie aber schlecht zum Mittagessen tragen. Was wollen Sie anziehen?“
    „Egal, ich werde es ja nur kurz anhaben. Nach dem Essen komme ich sofort rauf. Dann musst Du mir mit dem Reitkostüm helfen.“
     
    ***
     
    Hätte ich bloss nicht gesagt, es sei mir egal, mit welchem Kleid ich zum Mittagessen ginge. Bestimmt war dieses hellblaue seidige Fähnchen das engste Kleid auf der ganzen Welt. Ich hatte mich immer eher für zu dünn gehalten, aber offenbar konnte man in einem Korsett nie dünn genug sein. Anna hatte mit aller Kraft an den Schnüren gezerrt und nun blieb mir buchstäblich die Luft weg. So konnte ich unmöglich einen Bissen runter kriegen.
    „Fühlst Du dich nicht wohl, Liebes?“ erkundigte sich meine Mutter fürsorglich. „Am besten legst Du dich nach dem Essen gleich aufs Ohr.“
    „Ich möchte aber ausreiten.“
    „Du siehst viel zu bleich aus – keine Widerrede, Du legst Dich hin.“
    „Ja, Mama.“
    Natürlich liess ich mich nicht so schnell beirren. Flora war schliesslich das Wichtigste in meinem Leben. Ob ich mich Anna anvertrauen konnte oder ob sie mich verpfeifen würde? Sollte ich lieber Lizzi um Hilfe bitten, mir ins Reitkostüm zu helfen? Da kam mir Lochlann in den Sinn. Wenn eine Hand die andere wusch, waren schliesslich beide sauber – oder so. Jedenfalls setzte ich meinen Plan in die Tat um, sobald ich zurück in meinem Zimmer war.
    „Anna, hilf mir bitte rasch beim Umziehen. Und ich sage es lieber gleich: Falls Mama nach mir fragen sollte, liege ich schlafend im Bett. Bitte verpetz mich nicht. Ich verschaffe Dir dafür einen romantischen Nachmittag mit Lochlann.“
    Das Reitkostüm war eigentlich recht bequem. Wenn man davon absah, dass man damit im Damensattel reiten musste, worin ich nicht sehr geübt war, war es das angenehmste Kleidungsstück, das ich besass. Nur Hosen wären noch besser.
    Bevor ich das Zimmer verliess, hielt ich mich noch an meinen Teil der Abmachungen und klingelte nach Lochlann.
    „Lochlann, Anna hat mir gesagt, dass Du heute mein Badewasser angeschleppt hast. Vielen Dank dafür. Nun brauche ich
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