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Regelschaltung Jungbrunnen

Regelschaltung Jungbrunnen

Titel: Regelschaltung Jungbrunnen
Autoren: K. H. Scheer
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ertappte mich dabei, wie ich mit stampfenden Schritten auf den Kleinen zuging.
    Das war der Gang des Anarchistenwissenschaftlers Professor Dr. Marcus Owen Toterlay, den darzustellen ich die fragwürdige Ehre hatte.
    Ich war es leid, die Maskenhalbfolie aus lebendem Bioplastgewebe tragen zu müssen. Jeder Blick in den Spiegel ließ mich mein zerklüftetes, mahagonifarbenes Biogesicht mehr und mehr verachten.
    Der echte Toterlay wirkte nicht nur gewalttätig – er war es auch. Dieser Mann mit der herkulischen Figur befand sich noch immer im Gewahrsam der Geheimen Wissenschaftlichen Ab wehr. Wir hatten ihn im arktischen Geheimstützpunkt SMARAGD in haftiert und ihm durch meinen Einsatz mittlerweile einwandfrei nachgewiesen, daß er nicht nur ein Anarchist, sondern auch ein Mörder war. Die Untaten dieses Wissenschaftlers waren ans Ta geslicht gekommen, als Personen, die Bescheid wußten, mir gegenüber »ausgepackt« hatten.
    Das war ungewollt geschehen, aber wie hätten sie wissen sollen, daß sie vor einem GWA-Schatten in Toterlays Maske standen.
    »Klasse!« spöttelte Hannibal. Sein entstelltes Gesicht, ebenfalls aus Biogewebe geschaffen, verformte sich zu einer Fratze.
    Natürlich lachte er, aber um das identifizieren zu können, mußte man – nach seinen eigenen Worten – eine Gebrauchsanweisung für den Betrachter mitliefern.
    Toterlay hatte sein Faktotum Quasimodo genannt und damit literarische Geister beschworen, die der mit dem Spitznamen versehene Körpergeschädigte niemals ablegen konnte.
    Auch Hannibal, dem seltsamsten Einsatzschatten der GWA, war keine Wahl geblieben, als den wirklichen Namen des breitschultrigen, dichtbehaarten Mannes zu übernehmen und sich mit dem Erscheinungsbild vertraut zu machen.
    Nunmehr, am 26. Juli des Jahres 2011 n. Chr. schien er sich aber endgültig mit seiner Maske abgefunden zu haben. Es entsprach seinem skurrilen Humor, hundertprozentig darin aufzugehen und seine Mitarbeiter entsprechend zu »bearbeiten«.
    »Ich hatte dich ersucht, weder mit deiner Baumellippe noch mit deinem roten Triefauge zu feixen«, fuhr ich ihn an. »Nein, Moment bitte. Mit einem solchen Auge kann man das tatsächlich! Es gelingt dir meisterhaft, es gewissermaßen optisch sprechen zu lassen. Kleiner, meine Nerven sind nicht mehr die besten. Richte dich danach.«
    Er dachte nicht daran, sein Gelächter einzustellen. Ich blieb stehen, schloß die Augen und lauschte auf die hohen, pfeifenden Töne.
    Litt er erneut unter Luftnot? Oder strapazierte er nur seine modifizierten Stimmbänder? Ich erkundigte mich danach.
    »Unsinn«, wehrte er ab. »Was man bei der ersten Vollfolie übersah, machte man bei der zweiten fast zu gut. Wie wäre es mit einem terranischen Affensprint durch eine altmarsianische Bergfestung?«
    »Der echte Quasimodo hinkt und leidet wegen seiner Rückgratverwachsung grundsätzlich unter Luftnot. Du wirst nicht sprinten, sondern stets daran denken, wie du dich zu verhalten hast.«
    Er wurde plötzlich ernst. Der Hinweis auf den Einsatz genügte allerdings auch, um jedem Mitglied des kleinen Teams die Laune zu verderben.
    Hannibal winkte ab und schlurfte auf den bogenförmigen Eingang der Gruft zu.
    Die Identitätskontrollen der dort stationierten Robotgeräte erfolgten schnell und unauffällig. Die in den Wänden eingebauten Abwehrwaffen blieben in Ruhestellung.
    Ich drehte mich noch einmal um und warf einen Blick in den relativ kleinen Raum zurück. Außer der großen Robotautomatik und dem Abrufpult war nichts zu sehen. Wir wußten immer noch nicht, wo Hedschenin, der Freund und Mitstreiter während unserer Zeitreise in die Atlantische Epoche, seine letzte Ruhestätte gefunden hatte.
    Die Andenfestung des Saghon, von uns »Festungsklause Saghon« genannt, befand sich trotz der vergangenen Jahrtausende nach wie vor in bestem Zustand und voller Betriebsbereitschaft. Das war aber für marsianische Konstruktionen und Bauwerke aller Art so selbstverständlich, daß wir darüber kaum noch nachdachten.
    Die verwendeten Materialien, besonders jene der Kraftmaschinen und Geräte, würden dem Zahn der Zeit noch weitere 187 000 Jahre trotzen, immer vorausgesetzt, sie wurden nicht vorher zerstört.
    Aber dieses Vorhaben wäre für die Menschen des Jahres 2011 äußerst problematisch gewesen, denn marsianische Robotkommandogehirne waren im allgemeinen und auf Grund ihrer Altprogrammierungen »nicht geneigt«, Beschädigungen zu dulden.
    In solchen Fällen kam es zu sehr massiven
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