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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten
Autoren: C Funke
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silbernen Blüten bedeckt.
    Jacob hatte sich immer gefragt, ob es nur einen Spiegel gab.
    Offenbar war die Antwort Nein.
    Er sah sich suchend um. In der Mitte des Saals stand ein Thron. Zu dem steinernen Sessel führte eine schmale Treppe hinauf. Goldpolster bedeckten Armstützen und Lehne und ein Abbild Guismunds starrte mit leeren Augen zu Jacob herüber. Aber sein Blick suchte nach einem Spiegel. Und da war er, am hintersten Ende des Saals. Er war riesig, fast doppelt so groß wie der im Zimmer seines Vaters. Das Glas war ebenso dunkel, aber die Blüten auf dem Rahmen waren keine Rosen, sondern Lilien, wie auf dem Torbogen an der Wand.
    Ein Skelett stand daneben, mit einer goldenen Uhr in den knöchernen Händen. Zu Guismunds Zeiten hatte es in dieser Welt noch keine mechanischen Uhren gegeben. Aber in der anderen schon.
    Jacob! Nur der Schmerz in seiner Brust erinnerte ihn daran, warum er hier war. Er kehrte dem Spiegel den Rücken und ging auf den Thron zu.
    Die Statue, die darauf saß, trug den Hexermantel aus Katzenfellen, aber sie zeigte Guismund auch als Kriegerkönig. Der Helm, der das Gesicht umschloss, war wie der geöffnete Rachen eines Wolfes geformt. Unter dem Mantel sah man ein knielanges Kettenhemd und die weiße Tunika mit dem roten Schwert. Wie oft hatte Jacob den Silberreif gesehen, der es umgab, und sich nichts dabei gedacht. Jetzt konnte er nichts anderes als den Rahmen eines Spiegels darin sehen. Guismund saß breitbeinig da, wie ein Mann, der sich eine eigene Welt erobert hatte. Nachdem er aus einer anderen gekommen war.
    Am Fuß der Treppe stand ein Schemel. Auf dem goldenen Polster lag eine Armbrust.
    Jacob blies die Kerze aus.
    Die Fliesen, über die er schritt, formten ein kreisrundes Mosaik, das Guismunds Wappen zeigte. Der Schemel mit der Armbrust stand gleich über dem Kopf des gekrönten Wolfs.
    Jacob war nur noch ein paar Schritte von dem Schemel entfernt, als die Motte zubiss.
    Er fiel auf die Knie. Sah, hörte, fühlte nichts außer dem Schmerz. Er ätzte ihm den letzten Buchstaben wie Säure aus der Erinnerung und die Dunkle Fee hatte ihren Namen zurück. Dann löste sich die Motte aus seiner Haut. Sie schälte den haarigen Leib aus seinem Fleisch wie aus einem blutigen Kokon und schlug mit den Flügeln. Jacob hörte den eigenen Schmerzensschrei durch den Thronsaal hallen und krümmte sich auf Guismunds Wappen, während die Motte davonflatterte, zurück zu ihrer Herrin, ihren Namen und sein Leben mit sich nehmend. Alles, was sie zurückließ, war ihr Abdruck aus rohem Fleisch, und er lag da und wartete darauf, dass ihm das Herz stehen blieb. Es stolperte und raste, als klammerte es sich an das letzte bisschen Leben, das sich noch in seinem Körper fand.
    Steh auf, Jacob. Aber er wusste nicht, wie. Er wollte nur, dass der Schmerz endete, dass diese Jagd vorbei war. Dass Fuchs bei ihm war.
    Steh auf, Jacob. Für sie .
    Er spürte die kalten Fliesen durch die Kleider, auf der Haut, die taub vom Schmerz war.
    Steh auf .

62
ERLOSCHEN
    D ie Stimmen waren furchtbar. Sie stritten. Schrien. Weinten. Sie warteten hinter jeder Tür, und Fuchs irrte von Kammer zu Kammer, von Saal zu Saal, fand Gold und Silber, wahllos angehäufte Beute aus geplünderten Städten, Truhen, gefüllt mit kostbaren Kleidern, goldene Teller auf leeren Tischen, die für einen Moment die Erinnerung an den Esssaal des Blaubarts zurückbrachten, Betten unter blutroten Baldachinen, Möbel, die Krusten aus Juwelen trugen … Das Kerzenlicht löste sie wie unwirkliche Bilder aus der Finsternis, und all die Pracht flüsterte nur von Guismunds Wahnsinn. Das ganze Schloss war ein Geist. All die Stimmen, all der düstere Hunger, der es erfüllte … All das tote Leben, das nicht sterben wollte.
    Die zitternde Kerzenflamme erleuchtete ein Schreibzimmer. Bücher. Landkarten. Ein Globus. Auf dem Boden lag das Fell eines schwarzen Löwen, und das Muster des Teppichs an der Wand verriet, dass er fliegen konnte.
    Die Kerze erlosch.
    Fuchs spürte, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann.
    Er hatte sie gefunden.
    Jacob hatte die Armbrust gefunden.
    Sie wechselte die Gestalt. Die Füchsin würde so viel schneller bei ihm sein.
    Jacob würde leben.
    Alles war gut.

63
DIE FALLE
    A uf die Füße, Jacob. Der Schmerz begann, zu verebben, aber sein Herz stolperte immer noch, als könnte jeder Schlag der letzte sein.
    Und wenn schon, Jacob. Nur ein paar Schritte.
    Greif dir die Armbrust. Fuchs wird gleich hier sein.
    Er schaffte es
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