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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten
Autoren: C Funke
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Seine Finger würden nach Louis’ Rasierwasser riechen. Keine angenehme Vorstellung. Er schloss die Faust um die aschblonden Strähnen. Louis war nur entfernt mit Guismund verwandt, also würde sein Haar wohl bloß wie ein sehr leise geflüstertes Passwort wirken, aber es war ihre einzige Hoffnung, nicht als Feind erkannt zu werden.
    Es hätte Jacob nicht überrascht, wenn das Tor ihm die Haut von den Fingern geschmolzen hätte. Es gab Berichte über Ungeheuer, die sich aus seinem Eisen formten, und die Leichen um sie sahen aus, als wären sie ihnen begegnet. Doch sobald er die Hand ausstreckte, platzte das glänzende Metall auf wie die Haut einer überreifen Frucht. Es teilte sich in zwei Torflügel, aus denen Türknäufe wie eiserne Knospen wuchsen. Sie formten sich zu Wolfsköpfen, und Jacob spürte den Wind, der über das glühende Metall strich, noch während die Zähne aus den spitzen Schnauzen trieben, bis das ganze Tor wieder in kühlem Grau schimmerte.
    Du brauchst das Prinzenhaar nicht.
    Was war das gewesen? Eine Lüge, um ihn umzubringen wie die zerlumpten Männer, die um sie herum lagen? Was auch immer …
    Er wechselte einen Blick mit Fuchs.
    Die Lust an der Jagd. Verband sie das mehr als alles andere?
    Sie lächelte ihm zu. Furchtlos. Aber Jacob sah immer noch die weiße Angst, die er ihr in der Kammer des Blaubarts zu trinken gegeben hatte. Sie hatten in den letzten Monaten beide gelernt, wo ihre Furchtlosigkeit endete.
    Er schloss beide Hände um die Wolfsköpfe. Er würde alle Kraft brauchen, die er noch hatte, um die schweren Eisentore aufzustoßen, aber sie öffneten sich ohne Widerstand, mit einem Seufzer, der wie das Röcheln klang, das Guismunds Kopf über die vergoldeten Lippen gekommen war.
    Die Luft, die ihnen entgegendrang, war eisig, und die Dunkelheit, die hinter dem Tor wartete, war so vollkommen, dass sie Jacob für ein paar Schritte blind machte. Aber Fuchs griff nach seinem Arm, bis selbst seine Augen sich an die Finsternis gewöhnt hatten. Der Saal, in dem sie standen, war leer, bis auf die Säulen, die die Decke stützten und sich über ihnen im Dunkel verloren. Das Echo ihrer Schritte fing sich zwischen den hohen Mauern wie das Flattern verirrter Vögel.
    Fuchs blickte sich suchend um, als das Weinen eines Kindes durch die Stille drang. Der Schrei einer Frau mischte sich hinein, die Stimmen streitender Männer.
    »Bleib stehen!«, flüsterte Jacob Fuchs zu.
    Die Stimmen wurden leiser, als entfernten sie sich, aber sie würden noch Stunden zu hören sein, bis sie ganz verklangen. Die Schritte der Toten. Ein Zauber der dunklen Hexen. Jeder Schritt, den sie taten, würde die Vergangenheit wecken: Worte, die in diesem Schloss gesprochen, geflüstert oder geschrien worden waren. Und nicht nur Worte. Schmerz, Wut, Verzweiflung, Wahnsinn. Jedes Gefühl würde Gestalt annehmen. Die Dunkelheit, die sie umgab, war aus finsteren Fäden gewebt. Sie würden leise sein müssen oder sie würden in ihnen ersticken.
    Jacob konnte drei Korridore in der Dunkelheit ausmachen. Soweit er sah, unterschieden sie sich in nichts voneinander. Er zog die blassgelben Kerzen aus der Tasche, die Valiant ihm gegeben hatte. Fuchs und er hatten Kerzen wie diese schon an anderen Orten benutzt, wenn sie sich trennen mussten. Sobald eine von ihnen erlosch, tat es auch die andere. Fuchs zog Streichhölzer aus der Tasche. Dann nahm sie Jacob die brennende Kerze wortlos aus der Hand. Die Stimmen wurden wieder lauter, sobald ihre Schritte auf den Fliesen widerhallten. Guismund hatte die meisten Hexen, deren Blut und Zauber er gestohlen hatte, in den Kerkern dieses Schlosses getötet. Die Frauenschreie wurden so laut, dass es Fuchs sichtlich schwerfiel, weiterzugehen. Sie blickte sich ein letztes Mal zu Jacob um, bevor das Licht ihrer Kerze sich in einem der Korridore verlor. Sie wählte den mittleren.
    Links oder rechts, Jacob? Er wandte sich nach links.

60
DIE RICHTIGE HAUT
    E iner der Prediger hatte eine frische Schwertwunde. Nerron erschoss ihn, bevor die schmutzigen Finger ihm den Wahnsinn auf die Haut schreiben konnten. Den Wassermann hatte einer berührt, aber es schien ihn nicht zu beunruhigen. Vielleicht hielt er sich für immun gegen Menschenwahnsinn. Es war selbst Eaumbre bald klar, dass die Spuren, denen sie folgten, nicht von Louis stammten, aber er drehte nicht um. Das Schloss, das sich über den Ruinen erhob, war ein allzu verlockendes Ziel.
    Es erinnerte Nerron an Festungen, die ein Klan von Mondsteingoyl
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