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Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg

Titel: Rebecka Martinsson 03 - Der schwarze Steg
Autoren: Åsa Larsson
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ist Caput mortuum und Krapplack in dieser Dunkelheit, durch die wir uns weiterkämpfen. Aber ich werde nicht an den Arm denken. Ich zeichne in meinem Kopf Bilder, während meine Beine uns über den Pfad tragen, den sie schon kennen.
    Ich zeichne Rensjön.
    Ich mache eine einfache Bleistiftzeichnung von Mutter, die vor dem Haus sitzt und Felle bearbeitet, die Haare von der Haut kratzt, die eingeweicht worden ist, bis die Haarbeutel verfault waren.
    Mutter ist in der Küche, die Hände im Spülwasser, die Gedanken weit weg auf Wanderung.
    Ich zeichne Musta, die gewohnt kühn die Rentierherde wie mit einem Messer teilt, zwischen Beinen herumläuft, nach den Nachzüglern schnappt.
    Ich zeichne mich selbst. Nachmittags, als ich endlich zu Hause in Rensjön aus dem Schultaxi steigen darf und der Wind mich ins Gesicht beißt und ich von der Straße auf das Haus zulaufe. Im Sommer, wenn ich am Ufer sitze und zeichne und erst abends feststelle, dass die Mücken mich zerstochen haben, wie ich weine und mich kratze und Mutter mich mit Salubrin waschen muss.
    Ich bekomme auch Bilder von Mauri. Das liegt am Körperkontakt. Das weiß ich ja.
    Er sitzt in einem Büro in einem anderen Land. Aus Angst vor den Männern, die jetzt hinter uns sind, vor den Männern, die uns diese Männer geschickt haben, muss er sich für den Rest seines Lebens verstecken.
    Seine Hände sind vom Alter gefleckt. Die Sonne draußen sticht. Keine Klimaanlage, nur ein Ventilator. Draußen auf dem Hofplatz scharren einige Hühner im roten Staub. Eine magere Katze huscht über den ausgedörrten Rasen.
    Es gibt auch eine junge Frau. Ihre Haut ist schwarz und weich. Wenn er nachts aufwacht, singt sie mit dunkler, leiser Stimme Choräle. Das beruhigt ihn. Ab und zu singt sie Kinderlieder in der Sprache ihres Volkes. Sie und Mauri haben eine Tochter.
    Dieses Mädchen.
    Ich trage auch sie. Sie ist noch so klein. Weiß nicht, dass es falsch ist, im Haus Türen zu öffnen und zu schließen, ohne sie zu berühren.
    Ich sehe eine Polizeiwache in Schweden. Ich sehe aufeinandergestapelte Ordner. Sie enthalten alles, was die Polizei über den Mord an Inna Wattrang und die vielen Toten von Regla ermitteln konnte. Aber niemand wird zur Rechenschaft gezogen. Sie fassen keinen Schuldigen. Ich sehe eine Frau mittleren Alters, mit einer Brille an einer Schnur um den Hals. Ihr bleibt noch ein Jahr bis zur Pension. Daran denkt sie, während sie diese vielen Ordner mit den Ermittlungsunterlagen auf einen Wagen packt, den sie dann in ein Archiv schiebt.
    Bald haben wir den alten Anleger erreicht.
    Ich muss eine kurze Pause einlegen, in meinem Kopf wird es für zwei Sekunden schwarz.
    Ich gehe weiter, obwohl mir plötzlich so schwindlig ist.
    Jetzt blutet die Rückseite meines Armes heftig. Es ist klebrig, heiß, unbehaglich.
    Es ist schwer. Meine Füße sinken ein. Ich friere so schrecklich, und ich habe Angst zu fallen. Es ist, wie in Schnee zu waten.
    Noch einen Schritt, denke ich. So, wie Mutter das gesagt hat, wenn ich in den Bergen todmüde war und quengelte. »So, ja, Ester, noch einen Schritt.«
    Der Schnee ist so tief. Noch einen Schritt, Ester. Noch einen Schritt.
     
    Ebba Kallis überrascht sich selbst. In der Küche ist ein Fenster angelehnt. Es wurde so heiß, als der gemietete Koch das Essen zubereitet hat. Als alles dunkel wird und sie die Schüsse hört, überlegt sie nicht eine Sekunde. Sie lässt sich aus dem Küchenfenster fallen. Drinnen schreien alle vor Panik. Und nach einer Weile sind alle still.
    Aber da liegt sie schon vor dem Fenster im Gras. Sie rappelt sich auf und rennt weiter, bis sie die Mauer um den Hofplatz erreicht hat. Der folgt sie bis zum Ufer. Am Strand tastet sie sich zum alten Steg weiter. In ihren hochhackigen Schuhen geht das nicht schnell. Sie friert in dem dünnen Kleid. Aber sie weint nicht. Sie denkt an die Jungen, die sind bei ihren Eltern, und sie geht weiter.
    Sie erreicht den alten Steg. Steigt ins Boot und sucht im Achterschott. Wenn sie nur eine Taschenlampe fände, dann würde sie auch den Zündschlüssel finden. Sonst muss sie rudern. Als ihre Hand sich um die Taschenlampe schließt, hört sie Schritte auf den Steg zukommen, sie sind schon sehr nah.
    Und sie hört eine Stimme etwas sagen, das sich wie »Ebba« anhört, oder »Ebba, er …« Oder so.
    »Ester?«, fragt sie vorsichtig und richtet sich im Boot auf und schaut über den Rand des Stegs. Aber sie kann in der Dunkelheit nichts sehen.
    Als keine Antwort kommt, denkt
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