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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca
Autoren: Daphne Du Maurier
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wohl nichts anderes übrig, als auf meinem gewohnten Platz neben Mrs. Van Hopper zu sitzen, während sie wie eine dicke, selbstgefällige Spinne den Fremden in ihr zähes Netz von Langeweile einspann.
    Ich war länger fortgewesen, als ich annahm, denn als ich in das Gesellschaftszimmer zurückkehrte, sah ich, daß er den Speisesaal bereits verlassen und daß sie, voller Angst, sich die Beute entgehen lassen zu müssen, ihn kaltblütig gestellt hatte, ohne auf den Brief zu warten. Er saß schon neben ihr auf dem Sofa. Ich ging quer durch das Zimmer auf sie zu und reichte ihr stumm den Brief. Er erhob sich sofort, während Mrs. Van Hopper, mit den heißen Wangen des Triumphes, eine flüchtige Handbewegung in meine Richtung machte und meinen Namen murmelte.
    «Mr. de Winter wird seinen Kaffee mit uns einnehmen. Sagen Sie dem Kellner, er soll noch eine Tasse bringen», sagte sie in einem Ton, der ihn über meine Stellung aufklären sollte.
    Damit wollte sie ihm zu verstehen geben, was für ein junges, unbedeutendes Ding ich sei und daß gar keine Notwendigkeit bestehe, mich in die Unterhaltung einzubeziehen. Wenn sie Eindruck machen wollte, sprach sie immer in diesem Ton, und seitdem ich einmal zu unserer beider größten Verlegenheit für ihre Tochter gehalten worden war, stellte sie mich aus einer Art Not-wehr stets auf diese Weise vor. Diese unpersönliche Kürze deutete an, daß man mich ruhig übergehen durfte; Frauen pflegten mich nur mit einem Kopfnicken zu bedenken, das zugleich als Begrüßung und Verabschiedung diente, während Männer mit offensichtlicher Erleichterung zur Kenntnis nahmen, daß sie sich, ohne die Gesetze der Höflichkeit zu verletzen, in dem bequemsten Sessel breitmachen durften. Es war daher eine Überraschung für mich, daß dieser Fremde stehenblieb und daß er den Kellner herbeiwinkte.
    «Es tut mir leid, Ihnen widersprechen zu müssen», sagte er zu Mrs. Van Hopper. «Sie beide werden den Kaffee mit mir einnehmen.» Und bevor ich wußte, wie mir geschah, saß ich auf dem Sofa, während er auf meinem harten Stuhl Platz nahm.
    Einen Augenblick lang sah Mrs. Van Hopper verärgert aus. Das hatte sie gewiß nicht beabsichtigt; aber sie faßte sich schnell und lehnte sich zu ihm hinüber, indem sie ihre massige Gestalt zwischen mich und den Tisch schob, und sprach, mit dem Brief
    herumfuchtelnd, laut und eifrig auf ihn ein.
    «Wissen Sie, ich habe Sie sofort erkannt, als Sie in den Speisesaal kamen», sagte sie, «und ich dachte gleich: ‹Na-nu, da ist ja Billys Freund, Mr. de Winter; ich muß ihm doch die Bilder von Billy und seiner jungen Frau von der Hochzeitsreise zeigen.› Hier, sehen Sie. Das ist Dora – ist sie nicht entzückend? Diese zarte, schlanke Figur und diese großen Augen! Und hier sonnen sie sich am Strand von Palm Beach. Billy ist wahnsinnig in sie verliebt, wie Sie sich denken können. Natürlich kannte er sie noch nicht, als er die Gesellschaft im Claridge gab, wo ich Sie zum erstenmal traf. Aber ich fürchte, Sie werden sich kaum an eine alte Frau wie mich erinnern?» Hierbei warf sie ihm einen neckischen Blick zu und bleckte die Zähne.
    «Im Gegenteil, ich erinnere mich Ihrer sehr gut», sagte er, und bevor sie ihn auf einen Austausch ihrer Erinnerungen an jenes erste Zusammentreffen festnageln konnte, reichte er ihr sein Zigarettenetui, und die Zeremonie des Anzündens vereitelte ihre Absicht vorläufig.
    «Ich glaube nicht, daß Palm Beach mir gefallen würde», meinte er, während er das brennende Streichholz ausblies, und ich mußte bei seinem Anblick auch denken, wie unwirklich er sich vor einem Hintergrund wie Florida ausnehmen würde.
    Er gehörte in eine stark befestigte Stadt aus dem fünfzehnten Jahrhundert, in eine Stadt mit engen, holprigen Gassen und schlanken Türmen, deren Einwohner Schnabelschuhe und Kniehosen trugen. Sein Gesicht war fesselnd, geist-voll, auf eine merkwürdige, unerklärliche Weise mittelalterlich. Es rief mir das Porträt eines Unbekannten ins Gedächtnis, das ich in einer Galerie – ich weiß nicht mehr, wo – gesehen hatte. Könnte man ihn nur in Schwarz kleiden, mit einer Spitzenkrause um Hals und Handgelenke, dann würde er auf uns wie aus einer lang entschwundenen Zeit herniedersehen – einer Zeit, in der die Männer sich des Nachts weite Mäntel überwarfen und im Schatten alter Torwege standen, einer vergangenen Zeit der schmalen Stiegen und finsteren Burgverliese, einer Zeit, in der Flüstern durch die Dunkelheit klang,
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