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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca
Autoren: Daphne Du Maurier
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hatte, da war es nicht meine kleine eckige Handschrift, es waren lange schräge, merkwürdig geschwungene Schriftzüge. Ich schob die Karten fort und versteckte sie. Ich erhob mich und trat vor den Spiegel, aber das Gesicht, das mir entgegenblickte, war nicht das meine. Es war sehr blaß und sehr schön, und eine Wolke dunklen Haares umgab es. Die Augen zogen sich zu einem Lächeln zusammen, die Lippen öffneten sich. Das Gesicht im Spiegel starrte mich spöttisch an und lachte. Und dann sah ich, daß sie auf dem Stuhl vor ihrem Frisiertisch saß, und Maxim bürstete ihr das Haar. Er hielt die Haare in der Hand, und während er sie bürstete, flocht er sie zu einem langen dicken Seil. Es wand sich wie eine Schlange, und er ergriff es mit beiden Händen, lächelte auf Rebecca hinab und legte es sich um den Hals.
    «Nein», schrie ich. «Nein! Wir müssen in die Schweiz fahren. Oberst Julyan hat gesagt, wir müssen in die Schweiz fahren.»
    Ich fühlte Maxims Hand auf meinem Gesicht. «Was ist denn?» sagte er. «Was hast du denn?»
    Ich setzte mich auf und strich mir das Haar aus der Stirn. «Ich kann nicht schlafen», sagte ich.
    «Du hast geschlafen», sagte er. «Zwei gute Stunden. Es ist Viertel nach zwei. Wir haben noch vier Meilen bis Lanyon.»
    Es war noch kälter als vorher. Mich fröstelte. «Ich werde mich wieder nach vorn neben dich setzen», sagte ich. «Um drei sind wir ja schon zu Hause.»
    Ich kletterte hinüber und setzte mich neben ihn und starrte vor mich durch die Windschutzscheibe. Ich legte meine Hand wieder auf sein Knie. Meine Zähne klapperten vor Kälte.
    «Du frierst», sagte er.
    «Ja», sagte ich.
    Die Hügel ragten vor uns auf, versanken wieder und erhoben sich aufs neue. Es war eine pechschwarze Nacht, die Sterne waren verschwunden.
    «Wie spät ist es, sagtest du?»
    «Zwanzig nach zwei», sagte Maxim.
    «Merkwürdig», sagte ich. «Fast könnte man glauben, daß es dort hinten, jenseits der Hügelkette, schon dämmert. Aber das ist doch nicht möglich, es ist doch noch viel zu früh!»
    «Du siehst in die falsche Richtung», sagte er, «dort ist Westen.»
    «Ja, ich weiß», sagte ich. «Komisch, nicht wahr?»
    Er antwortete nicht, und ich starrte zum Horizont hinüber. Vor meinen Augen schien es dort drüben immer heller zu werden. Wie die ersten rötlichen Strahlen des Sonnenaufgangs breitete sich der Lichtschein allmählich über den Himmel aus.
    «Nordlicht sieht man doch nur im Winter, nicht wahr?» fragte ich. «Oder im Sommer auch?»
    «Das ist kein Nordlicht», sagte er. «Das ist Manderley.»
    Ich sah ihn entsetzt an, sein Gesicht, seine Augen.
    «Maxim!» rief ich, «Maxim, was ist das?»
    Er fuhr immer schneller. Wir waren jetzt oben auf dem Hügel und sahen Lanyon unter uns liegen. Dort zur Linken zog sich das Silberband des Flusses hin, das sich nach Kerrith zu verbreiterte. Der Weg nach Manderley lag vor uns. Der Himmel über uns war tiefschwarz wie Tinte.
    Aber am Horizont war der Himmel gar nicht dunkel. Rote Strahlen zuckten an ihm empor wie Blutspritzer, und der salzige Seewind trieb uns die Asche entgegen.
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