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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca
Autoren: Daphne Du Maurier
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bereits vergessen hatte, formte sich zu einem wirren bunten Muster. Die Feder an Mrs.
    Van Hoppers Hut, die harten steiflehnigen Stühle in Franks Eßzimmer, das offene Fenster im Flur des Westflügels, die erdbeerfarbene Dame auf dem Kostümball, das Bauernmädchen auf der Landstraße bei Monte Carlo.
    Manchmal sah ich Jasper auf dem Rasen hinter Schmetterlingen herjagen, manchmal Doktor Bakers Scotchterrier sich neben dem Liegestuhl das Fell kratzen. Der Postbote, der uns heute den Weg gezeigt hatte, tauchte wieder auf, und Clarices Mutter, die in ihrer guten Stube mit ihrer Schürze einen Stuhl für mich abwischte. Ben reichte mir lächelnd eine Handvoll Muscheln, und die Frau des Bischofs bat mich, doch zum Tee dazubleiben. Ich fühlte die saubere Kühle meines frisch bezogenen Bettes und den knirschenden Kies des Strandes unter meinen Füßen. Ich roch das Farnkraut im Wald, das feuchte Moos und die welken Azaleenblüten. Ich fiel in einen Halbschlaf, aus dem ich dann und wann erwachte, um mich in meiner verkrampften Stellung hinter Maxims Rücken wiederzufinden. Die Dämmerung war der Nacht gewichen. Lichter entgegenkommender Wagen leuchteten auf und
    verschwanden. Dörfer sausten an uns vorbei, und ich sah das Licht hinter den Vorhängen hervorschimmern. Und dann streckte ich mich und drehte mich auf den Rücken und schlief wieder ein.
    Ich sah die Treppe von Manderley und Mrs. Danvers in ihrem schwarzen Kleid oben stehen und auf mich warten.
    Wie ich die Stufen emporstieg, wich sie in die Galerie zu-rück und verschwand. Und ich suchte sie und konnte sie nicht finden. Plötzlich blickte ihr Gesicht mich aus einer dunklen Türöffnung an, und ich schrie laut auf, und da verschwand sie wieder.
    «Wie spät ist es?» rief ich Maxim zu.
    Er drehte mir sein in der Dunkelheit gespenstisch blaß wirkendes Gesicht zu. «Halb zwölf», sagte er. «Wir haben schon über die Hälfte hinter uns. Versuch noch einmal einzuschlafen.»
    «Ich habe Durst», sagte ich.
    Im nächsten Dorf hielt er an. Der Garagenbesitzer sagte, seine Frau sei noch nicht zu Bett gegangen und würde uns gern etwas Tee machen. Wir stiegen aus und gingen in die Garage hinein. Ich ging stampfend auf und ab, um mein erstarrtes Blut wieder in Bewegung zu bringen. Maxim rauchte. Es war sehr kalt. Ein eisiger Wind pfiff durch die Tür und zerrte an dem Wellblechdach. Mich fröstelte, und ich knöpfte mir den Mantel zu.
    «Ja, es ist frisch heute abend», sagte der Mann, während er die Benzinpumpe betätigte. «Das Wetter ist heute nachmittag umgeschlagen. Dieses Jahr werden wir wohl kaum noch eine Hitzewelle erleben. Wir werden bald daran denken müssen zu heizen.»
    «In London war es noch sehr heiß», sagte ich.
    «So?» sagte er. «Dort haben sie ja immer die größten Gegensätze. Und das schlechte Wetter kommt immer von unserer Seite. An der Küste wird es schon stürmen.»
    Seine Frau brachte uns den Tee. Er schmeckte wie bitteres Holz, aber er war heiß. Ich trank ihn in gierigen Schlucken. Maxim sah bereits wieder auf die Uhr.
    «Wir müssen weiter», sagte er. «Es ist zehn vor zwölf.»
    Ich verließ die schützende Garage nur sehr ungern. Der kalte Wind blies mir ins Gesicht. Die Wolken jagten einander über den Himmel.
    Wir stiegen ein, und ich kuschelte mich wieder unter meine Decke. Wir fuhren weiter. Ich schloß die Augen. Da war der Leierkastenmann mit seinem Holzbein, und ich summte «Die letzte Rose» im Takt des federnden Wagens.
    Frith und Robert deckten den Teetisch in der Bibliothek. Die Pförtnersfrau nickte mir kurz zu und rief ihren Jungen.
    Ich sah die Schiffsmodelle im Bootshaus und den hauchdünnen Staub. Ich sah die Spinnweben in den kleinen Masten. Ich hörte den Regen auf das Dach trommeln und das Meer rauschen. Ich wollte ins Glückliche Tal gehen, aber es war nicht mehr da. Der Wald stand finster um mich herum, aber das Tal war nicht mehr da. Nur dunkle Bäume und hellgrüner Farn. Die Eulen schrien. Der Mond spiegelte sich in den Fenstern von Manderley, im Garten wucherten die Nesseln, zehn, zwanzig Fuß hoch.
    «Maxim!» rief ich, «Maxim!»
    «Ja», sagte er, «schlaf nur, ich bin hier.»
    «Ich habe geträumt», sagte ich.
    «Was denn?» fragte er.
    «Ich weiß nicht mehr.»
    Und wieder versank ich in die unruhige Tiefe meines Bewußtseins. Ich schrieb im Morgenzimmer, ich schickte Einladungen aus. Ich schrieb sie alle selbst mit einem großen schwarzen Federhalter. Aber als ich das betrachtete, was ich geschrieben
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