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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca
Autoren: Daphne Du Maurier
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brünett und sehr schön?» fragte Oberst Julyan ruhig.
    «Ja», sagte Doktor Baker, «ja, das stimmt.»
    Er las die Aufzeichnungen auf der Karte durch und ordnete sie dann wieder ein.
    «Selbstverständlich verstößt es gegen unseren Berufskodex», sagte er zu Maxim. «Wir betrachten unsere Patienten als unsere Beichtkinder. Aber Ihre Frau ist tot, und die Umstände sind, wie Sie sagten, wirklich ganz außergewöhnlich. Sie wollen von mir wissen, ob ich Ihnen einen Grund angeben kann, weswegen Ihre Frau Selbstmord begangen haben könnte?
    Ich glaube, das kann ich. Die Frau, die sich mir gegenüber als Mrs. Danvers ausgab, war schwer krank.»
    Er hielt inne und sah uns der Reihe nach an. «Ich erinnere mich sehr gut an sie», sagte er und wandte sich wieder seinen Karteikarten zu. «Das erstemal war sie eine Woche vor dem bewußten Datum bei mir. Sie klagte über Schmerzen, die mich veranlaßten, sie zu röntgen.
    Zum zweitenmal kam sie, um das Ergebnis der Röntgenaufnahmen zu erfahren. Ich habe die Bilder nicht hier, aber ich habe die Diagnose niedergeschrieben. Ich erinnere mich, wie sie in meinem Sprechzimmer vor mir stand und die Hand nach den Aufnahmen ausstreckte. ‹Ich will die Wahrheit wissen›, sagte sie, ‹ich will keine Ausreden und schonenden Vorbereitungen. Wenn ich dran glauben muß, dann sagen Sie es mir bitte unumwunden.›» Er hielt wieder inne und sah erneut auf die Karteikarte.
    Ich wartete und wartete. Warum sagte er es denn nicht endlich, damit diese Qual ein Ende hatte und wir gehen konnten? Warum mußten wir hier noch sitzen bleiben und mit den Augen an seinen Lippen hängen?
    «Sie wollte also die Wahrheit wissen», fuhr er fort, «und ich habe sie ihr nicht vorenthalten.
    Einige Patienten beruhigt es, wenn man nicht lange drumherum redet. Ihre verstorbene Frau war ein solcher Typ. Aber das wissen Sie ja selbst. Sie hörte mich völlig gelassen an, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Sie sagte nur, sie habe schon selbst so etwas geahnt.
    Dann zahlte sie das Honorar und ging; und ich habe sie nie wiedergesehen.»
    Doktor Baker klappte den Karteikasten zu und schloß das Buch. «Der Schmerz hatte noch nicht richtig eingesetzt, aber das Gewächs war bereits fest im Gewebe verwurzelt, und in höchstens drei, vier Monaten hätten wir sie ständig unter Morphium halten müssen. Eine Operation hätte nicht die geringste Aussicht auf Erfolg gehabt, das sagte ich ihr auch. Dazu war die Wucherung schon zu weit fortgeschritten. In einem solchen Fall kann man nichts anderes tun, als Morphium geben und abwarten.»
    Niemand sprach. Die kleine Uhr tickte auf dem Kaminsims, und vom Garten tönte das Rufen der spielenden Jungen herein. Ein Flugzeug brummte über das Haus hinweg.
    «Dem äußeren Anschein nach hätte man sie allerdings für eine kerngesunde Frau halten müssen», fuhr der Arzt fort. «Etwas zu dünn und zu blaß, wenn ich mich recht erinnere, aber das ist ja heute leider Gottes modern. Danach kann man bei einem Patienten nicht mehr gehen. Nein, der Schmerz hätte sich von Woche zu Woche gesteigert, wie ich Ihnen bereits sagte, und in spätestens vier Monaten hätte sie ohne Morphium nicht mehr auskommen können.
    Übrigens erinnere ich mich, daß die Röntgenaufnahme eine leichte Deformierung der Gebärmutter zu erkennen gab, das heißt, daß sie niemals ein Kind hätte bekommen können.
    Aber das, wie gesagt, nur nebenbei; mit der eigentlichen Krankheit hatte das ja nichts zu tun.»
    Danach hörte ich Oberst Julyan sprechen. Er sagte etwas davon, wie freundlich es von Doktor Baker gewesen sei, sich so viel Mühe zu machen. «Sie haben uns alles gesagt, was wir wissen wollten», sagte er, «und wenn Sie uns noch eine Abschrift Ihrer Karteikarte schicken könnten, würden Sie uns damit einen großen Dienst erweisen.»
    «Aber das ist doch ganz selbstverständlich», sagte Doktor Baker.
    Alle hatten sich erhoben, und ich stand ebenfalls auf und schüttelte Doktor Baker die Hand, und dann verabschiedeten sich die anderen auch von ihm. Er ging uns in die Diele voraus.
    Eine Frau steckte ihren Kopf aus der gegenüberliegenden Tür und zog sich hastig wieder zurück, als sie uns erblickte. Jemand ließ sich oben ein Bad ein, das Wasser lief sehr laut. Der Scotchterrier war hereingekommen und beschnupperte meine Füße.
    «Soll ich die Abschrift Ihnen oder Mr. de Winter schicken?» fragte Doktor Baker.
    «Vielleicht brauchen wir sie auch gar nicht», entgegnete Oberst Julyan. «Ich glaube
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