Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca
Autoren: Daphne Du Maurier
Vom Netzwerk:
matt von den Zweigen.
    Unser Unwetter gestern abend hatte sich offenbar nur örtlich ausgewirkt; hier war bestimmt kein Tropfen gefallen. Die Frauen gingen alle in dünnen Sommerkleidern, und die Männer trugen keine Hüte. Es roch nach Auspuffgasen und heißem Asphalt und Orangenschalen. Die Omnibusse rollten schwerfällig dahin, und die Taxis krochen förmlich. Mein Rock und meine Jacke scheuerten mich an Handgelenk und Knien, und meine Strümpfe klebten auf der Haut.
    Oberst Julyan setzte sich hoch und sah durchs Fenster.
    «Hier hat es offenbar nicht geregnet», sagte er.
    «Nein», sagte Maxim.
    «Könnten es hier aber auch gut gebrauchen.»
    «Ja.»
    «Wir haben Favell leider nicht abschütteln können. Er ist immer noch dicht hinter uns.»
    Auf den Geschäftsstraßen wimmelte es von Menschen. Müde Frauen mit schreienden Babies im Kinderwagen starrten in die Auslagen; Straßenhändler riefen ihre Waren aus; kleine Jungens hängten sich hinten an Lastwagen an. Der Lärm war unerträglich, und selbst die verbrauchte stickige Luft strömte Reizbarkeit aus.
    Die Fahrt durch London kam mir endlos vor, und als wir schließlich aus dem dicksten Gewühl heraus waren und Hampstead hinter uns lag, da dröhnte es in meinem Kopf unerträglich, und meine Augen brannten.
    Auch Maxim mußte müde sein. Er war sehr blaß, und unter seinen Augen lagen tiefe Schatten. Aber er sagte nichts. Oberst Julyan gähnte ununterbrochen; er riß seinen Mund weit auf und gähnte laut, und hinterher seufzte er zufrieden. Das wiederholte sich alle paar Minuten. Ich spürte eine dumpfe Wut darüber in mir aufsteigen, und ich mußte alle Beherrschung zusammennehmen, um mich nicht umzudrehen und ihn anzuschreien.
    Hinter Hampstead zog er einen Straßenplan hervor und begann Maxim nach Barnet zu dirigieren. Der Weg war zwar gar nicht zu verfehlen, da an jeder Kreuzung Weg-weiser standen, aber er ließ es sich trotzdem nicht nehmen, Maxim auf jede Abzweigung aufmerksam zu machen, und wenn Maxim doch einmal zögerte, dann kurbelte Oberst Julyan die Fensterscheibe herunter und zog bei den Passanten Erkundigungen ein.
    Und als wir Barnet erreicht hatten, mußte Maxim jeden Augenblick anhalten. «Können Sie mir vielleicht sagen, wo hier eine Villa Roseland ist? Sie gehört einem Doktor Baker, der erst kürzlich hergezogen ist», und der Befragte stand dann mit gerunzelter Stirn da, und daß er keine Ahnung hatte, war ihm deutlich vom Gesicht abzulesen.
    «Doktor Baker? Ich kenne hier keinen Doktor Baker. In der Nähe der Kirche gibt’s ein Haus, das Rosenschlößchen heißt, dort wohnt allerdings eine Mrs. Wilson.»
    «Nein, wir suchen Roseland, Doktor Bakers Haus», sagte Oberst Julyan, und dann fuhren wir weiter und hielten diesmal vor einem Kindermädchen, das einen Sportwagen schob. «Können Sie uns sagen, wo hier eine Villa Roseland ist?»
    «Tut mir leid, ich bin hier auch fremd.»
    «Sie kennen nicht zufällig einen Doktor Baker?»
    «Doktor Davidson kenne ich.»
    «Nein, wir suchen einen Doktor Baker.»
    Ich blickte zu Maxim auf. Er sah sehr müde aus. Sein Mund bildete eine schmale harte Linie.
    Hinter uns kroch Favells grüner staubbedeckter Wagen.
    Schließlich zeigte uns ein Postbote den richtigen Weg. Ein quadratisches, efeuumranktes Haus ohne Namensschild, an dem wir schon zweimal vorübergefahren waren.
    Mechanisch öffnete ich meine Handtasche und puderte mir das Gesicht. Maxim hielt draußen am Rinnstein. Er fuhr nicht in die Garteneinfahrt hinein. Wir saßen eine Weile, ohne zu sprechen.
    «So, da wären wir also», sagte Oberst Julyan dann. «Und es ist jetzt genau zwölf Minuten nach fünf. Wir werden ihn gerade beim Tee überraschen. Vielleicht warten wir besser noch ein Weilchen.»
    Maxim zündete sich eine Zigarette an und streckte mir seine Hand hin. Aber er sprach nicht.
    Ich hörte Oberst Julyan mit dem Straßenplan rascheln.
    «Wir hätten London gar nicht zu berühren brauchen», sagte er. «Das hätte uns gute vierzig Minuten eingespart.
    Die ersten zweihundert Meilen haben wir einen guten Durchschnitt gemacht, aber von Chiswick an wurden wir aufgehalten.»
    Ein Botenjunge radelte pfeifend vorüber. An der Ecke hielt ein Omnibus, und zwei Frauen stiegen aus. Irgendwo schlug eine Kirchenuhr die Viertelstunde. Favell in seinem Wagen hinter uns rauchte ebenfalls. Jede Empfindung war in mir abgestorben. Ich saß da und beobachtete diese unwichtigen kleinen Dinge. Die beiden Frauen gingen die Straße entlang.
    Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher