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Donavan und das Mädchen in der Bar

Donavan und das Mädchen in der Bar

Titel: Donavan und das Mädchen in der Bar
Autoren: Carter Brown
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    Das >Bristol< gehört zu
den wenigen übriggebliebenen älteren Hotels in New York, das seinen Standard
beibehalten hat. Nach wie vor kann man in der fast behaglichen Gewißheit, in
den Aufzügen weder überfallen noch ausgeraubt zu werden, in die oberen
Stockwerke fahren. Ich bin im Haus gut bekannt, und wann immer ich mich in New
York aufhalte, bekomme ich ohne Schwierigkeiten die Privatsuite mit drei
Schlafzimmern. Es gehört zu meinen Gewohnheiten, niemals allein zu reisen, weil
ich mich in meiner eigenen Gesellschaft leicht langweile.
    Diesmal hatte ich Tamara
Wentworth als Begleiterin bei mir. Die unwahrscheinliche Kombination ihres Vor-
und Familiennamens hatte sich Tamara zweifellos selbst in irgendeinem Stadium
ihrer kurzen und trivialen Karriere als Schönheitstänzerin ausgedacht — bevor
die zunehmend laxere Publikumsmoral diesen Beruf ebenso altmodisch erscheinen
ließ wie ein Ballettröckchen.
    Tamara war von prachtvoller
Rundlichkeit. Man konnte sich selbst eine angenehm stimulierende Massage
zukommen lassen, indem man einfach den Kopf über die gesamte Länge ihres Torsos
hinab hin- und herrollen ließ — sowohl vorn als auch hinten. Tamara verfügte über keinerlei
Verstand, war keiner Unterhaltung fähig, entwickelte jedoch eine beachtliche
Erfindungsgabe, wenn es sich um Sex drehte.
    Hicks, mein Diener, packte die
Koffer aus, sobald wir oben in der Suite angelangt waren. Nach wie vor stellen
die Engländer die besten Diener der ganzen Welt. Das Problem ist heutzutage
nur, einen Briten zu finden, der bereit ist, diese Rolle zu übernehmen. Mit
einer raffinierten Mischung aus Schmeichelei und Bestechung hatte ich Hicks vor
zwei Jahren überzeugt, daß eine Stellung als Kammerdiener bei mir ihm die
besten Zukunftsaussichten eröffneten. Ich versprach ihm Geld, Reisen und freie
Verwendung meiner abgelegten Garderobe. Er schien seinen damaligen Entschluß
nie bereut zu haben. Zugegeben, unsere Arbeitgeber-Diener-Beziehung hatte sich
in der Zeit, in der er für mich tätig war, leicht verändert, aber das war bei
dem gegenwärtigen leidenschaftlichen Trend zur Gleichheit nicht anders zu
erwarten gewesen.
    Ich hatte mir eben meinen
Whisky mit Apfelsaft gemixt, als er ins Wohnzimmer der Suite trat.
    »Sie badet«, verkündete er. »In
einem Gebirge von Schaum, der nach Parfum stinkt.« Ausdrucksvoll rollte er die
Augäpfel. »Es erinnert mich direkt an den Puff in Venedig damals, in den Sie
mich mal mitgenommen haben. Entsinnen Sie sich? Gleich, wenn man reinkam,
drückten sie einem ‘ne kleine Peitsche in die Hand, und alle Nutten hatten
Federn im Hintern stecken .«
    »Schnepfenfedern natürlich«,
sagte ich.
    »Was, wirklich?« Er blickte
milde interessiert drein. »Sie möchte wissen, ob Sie ihr im Bad Gesellschaft
leisten wollen. Ich habe ihr gleich gesagt, Sie hätten nicht die Absicht .«
    »Woher zum Teufel wissen Sie
das denn ?«
    »Hören Sie, Kollege«, sagte er
in betont sachlichem Ton, »Sie wissen ganz genau, was dann passieren würde,
oder nicht? Sie würden bloß auf der verdammten Badematte ausrutschen und
vermutlich geradewegs durchs Fenster stürzen. Oder, noch schlimmer« — er
kicherte heiser —, »Sie würden kopfüber zwischen ihre Beine tauchen und für das
nächste halbe Jahr verschwunden bleiben .«
    »Sie haben einen widerwärtigen
Sinn für Humor«, sagte ich.
    »Dafür kann ich doch nichts,
oder ?« Er goß sich einen Scotch mit Wasser ein, ohne
Eis natürlich. »Was haben wir überhaupt hier in New York zu suchen ?«
    Das Telefon klingelte, und er
meldete sich, wobei seine Stimme sofort ihren natürlichen Cockney-Akzent verlor
und ein unglaublich kultiviertes Timbre annahm. Hätte man irgendwie die
Möglichkeit gefunden, diesen Tonfall auf Flaschen zu ziehen, hätte er glatt
jeden anderen Süßstoff vom Markt verdrängt.
    »Mr. Donavans Suite«, psalmodierte er und lauschte dann ein paar Sekunden lang. »Darf ich Sie
um Ihren Namen ersuchen? Bleiben Sie bitte am Apparat, ich werde mich
erkundigen .« Er legte die Hand über die Sprechmuschel
und blinzelte mir zu. »Irgend ‘ne Biene möchte mit Ihnen sprechen«, sagte er.
»Ihren Namen will sie nicht verraten. Die Stimme klingt gar nicht schlecht.
Leicht heiser, so als ob sie’s schon nicht mehr erwarten könnte .«
    Ich nahm ihm den Hörer aus der
Hand. » Donavan hier.«
    »Mr. Donavan ,
Sie kennen mich nicht, aber ich bin eine Bekannte von Karl Madden «,
sagte die weibliche Stimme. Hicks hatte recht gehabt
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