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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca
Autoren: Daphne Du Maurier
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die Lippen.
    «Ein reizender Vorschlag», sagte er, «aber ich halte mich an das Motto der Familie: wer etwas schnell erledigen will, erledigt es am besten allein. Sie kannten es vielleicht noch nicht.»
    Und ohne eine Entgegnung abzuwarten, wandte er sich um und verließ uns.
    «Wie komisch!» sagte Mrs. Van Hopper, als wir im Fahrstuhl nach oben fuhren. «Ob dieser brüske Abschied eine Grille von ihm ist? Männer benehmen sich oft so sonderbar.»
    Der Fahrstuhl hielt mit einem Ruck an. Wir waren in unserem Stockwerk angelangt, und der Liftboy öffnete die Tür. «Übrigens, meine Liebe», sagte sie, als wir den Korridor entlanggingen, «halten Sie mich nicht für unfreundlich, aber ich fand, Sie haben sich heute nachmittag ein ganz klein wenig zu sehr vorgedrängt. Ihr Versuch, die Unterhaltung an sich zu reißen, war mir richtig peinlich, und ich bin überzeugt, daß es ihm nicht anders erging.
    Männer verabscheuen so etwas.»
    Ich erwiderte nichts; es schien mir keine passende Antwort darauf zu geben. «Ach, kommen Sie, schmollen Sie nicht», lachte sie und zuckte die Achseln; «schließlich bin ich doch hier für Ihr Benehmen verantwortlich, und Sie dürfen sich ruhig den Rat von einer Frau gefallen lassen, die alt genug ist, um ihre Mutter zu sein. Eh bien, Blaize, je viens …» und vor sich hin summend betrat sie ihr Schlafzimmer, wo die Schneiderin auf sie wartete.
    Ich kniete mich auf den Stuhl am Fenster und sah in den Nachmittag hinaus. Die Sonne schien noch ganz hell, und ein übermütiger, frischer Wind wehte. In einer halben Stunde würden wir beim Bridge sitzen, die Fenster fest verschlossen und die Heizung voll aufgedreht. Ich dachte an die Aschenbecher, die ich entleeren mußte, und wie
    lippenstiftbeschmierte Zigarettenstummel und angebissene Pralinen sich darin häufen würden. Ihre männlichen Bekannten würden mir gegenüber eine gezwungene Jovialität an den Tag legen und witzige Fragen nach meinen Geschichtskenntnissen und meiner Malerei stellen in der Annahme, daß meine Schulzeit noch nicht lange zurücklag und daß man sich mit mir über nichts anderes unterhalten könne.
    Ich seufzte und kehrte dem Fenster den Rücken zu. Die Sonne schien so viel zu versprechen, und das Meer schäumte weiß unter dem spielenden Wind. Ich mußte an einen Winkel in Monaco denken, wo ich vor ein paar Tagen vorbeigekommen war: jenes baufällige Haus am kopfsteingepflasterten Marktplatz. Hoch oben unter dem eingesunkenen Dach befand sich eine Fensteröffnung, kaum mehr als ein Schlitz, in der man sich gut eine mittelalterliche Gestalt vorstellen konnte. Ich griff nach Bleistift und Skizzenblock und zeichnete spielerisch ein bleiches Gesicht im Profil mit einer Adlernase; aber meine Gedanken waren woanders.
    Ein finsteres Auge, eine kühne Stirn, ein hochmütiger Mund. Und ich fügte einen Spitzbart und ei-ne Spitzenhalskrause hinzu, wie der Maler es vor langer Zeit in einem vergangenen Jahrhundert getan hatte.
    Es klopfte, und der Liftboy trat mit einem Briefchen in der Hand ein. «Madame ist in ihrem Schlafzimmer», sagte ich, aber er schüttelte den Kopf, der Brief sei für mich. Ich öffnete den Umschlag und fand darin ein einzelnes Blatt, auf dem in unbekannter Handschrift ein paar Worte standen. «Verzeihen Sie mir. Ich war heute nachmittag sehr unhöflich.» Das war alles.
    Keine Unterschrift und keine Anrede. Aber mein Name stand auf dem Umschlag und war richtig geschrieben, was nicht oft vorkam.
    «Irgendeine Antwort?» fragte der Boy.
    Ich sah von den hingeworfenen Schriftzügen hoch. «Nein», sagte ich, «nein, keine Antwort.»
    Als er das Zimmer verlassen hatte, steckte ich das Blatt in meine Tasche und wandte mich wieder meiner Zeichnung zu, aber aus irgendeinem Grund gefiel sie mir nicht mehr; das Gesicht kam mir starr und leblos vor, und die Halskrause und der Bart glichen Requisiten eines Amateurtheaters.

4
    Am Morgen danach wachte Mrs. Van Hopper mit schmerzendem Hals und fieberheißer Stirn auf. Ich rief ihren Arzt an, der sofort ins Hotel geeilt kam und die übliche Grippe feststellte.
    «Sie müssen im Bett bleiben, bis ich Ihnen erlaube, wieder aufzustehen», verordnete er. «Ihr Herz will mir gar nicht recht gefallen, und das wird auch nicht besser werden, wenn Sie sich nicht völlig ruhig halten. Mir wäre es lieber», fuhr er zu mir gewandt fort,
    «wenn Mrs. Van Hopper eine ausgebildete Pflegerin nähme. Die Arbeit wird für Sie viel zu schwer sein. Es ist ja nur für etwa vierzehn
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