Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca
Autoren: Daphne Du Maurier
Vom Netzwerk:
Tage.»
    Ich fand das eigentlich unnötig und sagte es auch, aber zu meinem Erstaunen stimmte sie ihm bei. Ich glaube, sie freute sich schon über das Aufsehen, das es erregen würde, über das Mitgefühl ihrer Bekannten und die Krankenbesuche ihrer Freunde und deren Nachfragen und Blumengeschenke.
    Die Pflegerin sollte ihr Medikamente geben und sie etwas massieren, auch mußte sie Diät halten. Als ich sie nach dem Eintreffen der Pflegerin verließ, saß sie in aufgeräumtester Stimmung gegen einen Kissenberg gelehnt, ihr bestes Bettjäckchen um die Schultern, ein bebändertes Frisierhäubchen auf dem Kopf und mit einer schon fast normalen Temperatur.
    Etwas beschämt über die Erleichterung, die ich empfand, telephonierte ich ihren Freunden und sagte die kleine Einladung ab, zu der sie sie für diesen Abend eingeladen hatte, und dann ging ich eine gute halbe Stunde früher als gewöhnlich zum Mittagessen hinunter.
    Ich erwartete, den Speisesaal leer zu finden, denn im allgemeinen fand sich niemand vor ein Uhr zum Essen ein. Er war auch leer, nur der Tisch neben dem unseren war besetzt. Mit dieser Möglichkeit hatte ich nicht gerechnet.
    Ich hatte angenommen, er sei nach Sospel gefahren. Zweifellos aß er so früh, weil er hoffte, uns dann um ein Uhr entgehen zu können. Ich befand mich schon mitten im Saal und konnte nicht mehr zurück. Ich war dieser Situation nur schlecht gewachsen und hätte viel darum gegeben, älter, anders zu sein. Ich ging starr vor mich hinblickend zu unserem Tisch, und gleich darauf zahlte ich schon den Zoll für meine Ungeschicklichkeit, indem ich die Vase mit den langstieligen Anemonen umwarf, als ich meine Serviette entfaltete. Das Wasser durchtränkte das Tischtuch und lief mir auf den Schoß. Der Kellner befand sich am entgegengesetzten Ende des Saales und hatte nichts bemerkt. In der nächsten Sekunde jedoch stand mein Nachbar mit einer trockenen Serviette an meiner Seite.
    «Sie können nicht vor einem nassen Tischtuch sitzen», sagte er fast barsch, «es würde Ihnen den Appetit verderben. Machen Sie Platz.» Er fing an, das Tischtuch abzutupfen, und jetzt bemerkte auch der Kellner, daß etwas los war, und kam hilfsbereit herbeigeeilt.
    «Es macht mir gar nichts aus», sagte ich, «es tut wirklich nichts. Ich bin ganz allein.»
    Er erwiderte nichts, und dann war der Kellner bereits angelangt und zauberte die Vase und die verstreuten Blumen hinweg.
    «Lassen Sie», sagte Mr. de Winter plötzlich, «legen Sie noch ein Gedeck an meinem Tisch auf. Mademoiselle wird mit mir speisen.»
    Ich sah in tiefster Verwirrung zu ihm auf. «Nein, nein», sagte ich, «das kann ich unmöglich.»
    «Warum nicht?» fragte er.
    Ich versuchte eine Ausrede zu finden. Ich wußte, er konnte keine Lust dazu haben, mit mir zu essen. Er forderte mich nur aus Höflichkeit auf. Seine einsame Mahlzeit würde durch mich gestört werden. Ich war fest entschlossen zu sagen, was ich dachte. «Bitte seien Sie nicht höflich», bat ich. «Es ist sehr freundlich von Ihnen, aber es ist ja gar nicht so schlimm, wenn der Kellner nur das Tischtuch etwas abtrocknet.»
    «Aber ich bin ja gar nicht höflich», widersprach er. «Ich möchte wirklich gern mit Ihnen essen. Selbst wenn Sie nicht die Vase so tolpatschig umgestoßen hätten, hätte ich Sie darum gebeten.» Ich vermute, daß er den Zweifel in meinem Gesicht las, denn er lächelte. «Sie glauben mir nicht», sagte er, «aber egal, kommen Sie und setzen Sie sich. Wir brauchen ja nicht miteinander zu reden, wenn wir uns nicht dazu aufgelegt fühlen.»
    Wir setzten uns, er reichte mir die Speisekarte, überließ mich ihrem Studium und beschäftigte sich weiter mit seinem Horsd’œuvre, als wenn nichts geschehen wäre.
    Seine Fähigkeit, sich nach außen abzuschließen, war ei-ne Besonderheit von ihm, und ich wußte, daß er nichts Ungewöhnliches darin sehen würde, wenn wir die Mahlzeit schweigend beendeten. Ich würde mich ganz ungehemmt fühlen können. Er würde mich nicht nach meinen Geschichtskenntnissen fragen.
    «Wo ist denn Ihre Freundin?» fragte er. Ich erzählte ihm, daß sie Grippe hätte. «Das tut mir leid», sagte er, und dann nach einer kleinen Pause: «Sie haben doch meine Zeilen erhalten?
    Ich habe mich über mich selbst geschämt. Mein Verhalten war unverzeihlich. Ich bin wohl etwas verbauert durch mein langes Alleinsein, das ist meine einzige Entschuldigung. Deshalb finde ich es so nett von Ihnen, daß Sie trotzdem heute mit mir essen.»
    «Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher