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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca
Autoren: Daphne Du Maurier
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Antlitz, starr und kalt, immer noch schön, aber leblos. Er raucht dann eine Zigarette nach der anderen, ohne daran zu denken, sie auszudrücken, und die glühenden Stummel liegen auf dem Boden wie rosig schimmern-de Blütenblättchen. Hastig und eifrig spricht er über die belanglosesten Dinge, greift nach jedem beliebigen Thema wie nach einem schmerzlindernden Mittel. Ich glaube, es gibt eine Theorie, daß Männer und Frauen geläutert und gekräftigt aus Leid hervorgehen und daß wir, um in dieser oder einer anderen Welt voranzukommen, durchs Feuer gehen müssen.
    Das haben wir getan, und kein Schritt ist uns geschenkt worden, so widersinnig es auch klingen mag. Wir haben beide die Furcht und die Einsamkeit gekannt und die tiefste Verzweiflung. Ich vermute, daß im Leben jedes Menschen früher oder später ein Augenblick der Prüfung kommt. Wir alle haben unseren besonderen Teufel, von dem wir geritten werden und der uns quält, und müssen uns eines Tages zum Kampf stellen. Wir haben den unseren besiegt, oder jedenfalls bilden wir uns das ein.
    Wir werden nicht mehr vom Teufel geritten. Wir haben unsere Krise überwunden, natürlich nicht unversehrt. Seine Vorahnung kommenden Unheils bestand von Anfang an zu Recht; und wie eine pathetische Schauspielerin in einem mittelmäßigen Stück konnte ich sagen, daß wir für unsere Freiheit gezahlt haben. Aber mein Leben war reich genug an Melodrama, und ich würde bereitwillig meine fünf Sinne hergeben, wenn ich uns dafür die Fortdauer unseres gegenwärtigen Friedens und unserer Geborgenheit sichern könnte. Glück ist kein Besitz, der seinen Preis hat, es ist eine geistige Eigenschaft, ein Gemütszustand. Gewiß, wir haben unsere Augenblicke der Niedergeschlagenheit; aber es gibt auch andere Augenblicke, in denen die Zeit nicht von der Uhr gemessen wird, sondern in die Ewigkeit führt, und ich sehe ihn lächeln und weiß, wir gehören zusammen und sind uns einig; in unseren Gedanken und Meinungen gibt es keinen Gegensatz, der eine Schranke zwischen uns aufrichten könnte.
    Wir haben keine Geheimnisse mehr voreinander; wir erleben alles gemeinsam. Zugegeben, unser kleines Hotel ist langweilig und das Essen fade, und jeder neue Tag, der heraufdämmert, unterscheidet sich kaum vom vergangenen, und doch möchten wir es gar nicht anders haben. In einem der großen Hotels würden wir zu viele Bekannte von ihm treffen. Wir wissen beide die Einfachheit zu schätzen, und wenn wir uns auch manchmal langweilen – nun, Langeweile ist ein gutes Mittel gegen Furcht. Wir leben mehr oder weniger nach einem festen Tagesprogramm, und ich – ich habe im Vorlesen geradezu ein Talent entwickelt. Ich habe ihn nur ungeduldig werden sehen, wenn der Briefträger einmal ausblieb, denn dann mußten wir bis zum nächsten Tag auf unsere Post aus England warten. Wir haben es mit dem Radio versucht, aber der Lärm ist so aufreizend, und wir ziehen es vor, unsere Spannung auf eine Geduldsprobe zu stellen; das Ergebnis eines Kricketspiels, das bereits vor mehreren Tagen stattfand, bedeutet uns sehr viel.
    Wie viele Länderspiele, Boxkämpfe und sogar Billard-meisterschaften haben uns schon vor Langeweile bewahrt!
    Die Schlußkämpfe im Schulsport, Hunderennen und die merkwürdigen Wettbewerbe
    abgelegener Provinzstädtchen – sie alle sind Wasser auf unsere Mühle. Zuweilen geraten mir alte Exemplare einer Jagd-und Pferdesport-zeitschrift in die Hände, und ich fühle mich von dieser gleichgültigen kleinen Insel in die Wirklichkeit des englischen Frühlings versetzt. Ich lese von fischreichen Gewässern, von Köderfliegen, von jungen Rotfüchsen auf grünen Wiesen, von Krähen, die über den Wäldern kreisen, wie sie es in Manderley zu tun pflegten.
    Aus den zerlesenen und abgegriffenen Seiten steigt der Duft feuchter Erde zu mir auf, der säuerliche Geruch des Torfmoors und der Dunst des nassen Mooses, auf dem hier und dort die weißen Flecken von Reiherschmutz aufleuchten.
    Einmal geriet ich an einen Artikel über Waldtauben, und als ich ihn vorlas, kam es mir vor, als sei ich wieder in den tiefen Wäldern von Manderley, und die Tauben flatterten über meinen Kopf hinweg. Ich hörte ihr sanftes behagliches Gurren, und nichts vermochte ihren Frieden zu stören, bis Jasper auf der Suche nach mir durch das Unterholz gelaufen kam, mit seiner feuchten Nase auf dem Boden schnüffelnd. Dann flatterten die Tauben erschreckt aus ihrem Versteck auf, und mit wildem, heftigem Flügelschlag flogen sie von
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