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Rebecca

Rebecca

Titel: Rebecca
Autoren: Felix Thijssen
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ihrer Blinzelfotos. Rebeccas Bruder warf einen Blick auf die triefend nassen Obstplantagen. »Möchtest du dir die Schafe noch anschauen?«, fragte er Elena.
    »Schafe werfen aber meistens in den frühen Morgenstunden«, bemerkte Rebecca, um jeden Zweifel auszuräumen.
    Bevor Elena antworten konnte, erschien Suzan in der offenen Tennentür. Roelof schlurfte mit einem Eimer eingeweichter Rübenschnitzel hinter ihr her. Er trug seine Manchesterhose, Gummistiefel und einen Parka über dem karierten Wollhemd. Roelof war ein schüchterner Mann, genau wie sein Sohn. Er hob den Eimer ein wenig an und nickte Elena zu. »Ich füttere ein bisschen zu«, erklärte er. »Wenn es lange regnet, sind sie nicht gerne draußen.«
    »Soll ich Tee aufsetzen?«, fragte Suzan.
    Elena lächelte höflich. »Nein danke, wirklich nett, aber ich muss dringend zurück nach Utrecht, ich bin zu einer Party bei einer Freundin eingeladen.«
    Roelof betrachtete seinen Sohn mit gutmütigem Spott. »Und ich dachte, wir würden heute Abend unsere Partie zu Ende spielen?«
    Robbi nickte unsicher. »Machen wir auch.«
    »Er spielt am dritten Brett«, sagte Roelof zu Elena. »Erste Liga, unsere Schachmannschaft nimmt an den niederländischen Meisterschaften teil.«
    »Die Party ist nur für Mädchen«, sagte Elena.
    »Heiratet sie?«, fragte Rebecca. »Deine Freundin, meine ich.«
    »Nein«, antwortete Elena zu ihr gewandt und endlich errötete sie.
    Einen Moment lang sagte niemand etwas. Dann runzelte Suzan die Stirn.
    »Soll ich dich zum Bus bringen?«, bot Rebecca an.
    Ihr Bruder warf ihr einen wütenden Blick zu. »Das schaffe ich schon allein.«
    »Unsinn«, sagte Suzan. »Ich werdet ja patschnass. Ich fahre euch zum Bahnhof, dann braucht ihr nicht auf den Bus zu warten.«
    »Das wäre nett«, sagte Elena. Rebecca sah ihr an, dass sie wegwollte. »Wenn es Ihnen nicht zu viele Umstände macht.«
    »Ich kann auch fahren«, sagte Rob.
    »Er fährt besser als ich«, sagte Roelof freundlich zu Elena. »Einen Tag nach seinem Geburtstag macht er die Fahrprüfung, das ist schon geklärt. Gar kein Problem.«
    Suzan wollte nichts davon hören. »Wenn er erwischt wird, kann er sich den Führerschein an den Hut stecken. Und hier wird oft kontrolliert, vor allem an den Wochenenden.«
    Sie nickte Rob zu. »Hol doch bitte schon mal den Autoschlüssel.«
    Rob verschwand missmutig in der Tenne und Roelof sagte: »Na, dann verabschiede ich mich schon mal.«
    »Danke für den netten Nachmittag«, sagte Elena.
    Roelof reichte ihr die Hand. »Bitte, bitte. Du bist hier jederzeit willkommen.«
    Er zog sich die Jacke über den Kopf und trat durch die Wassergardine, die vom Rieddach herunter auf den schräg angelegten Kräutergarten unterhalb der Terrasse strömte.
    Robbi brauchte lange. Vielleicht sitzt er auf dem Klo und heult, dachte Rebecca. »Gefällt’s dir hier auf dem Land?«, fragte sie Elena.
    »Mir kommt es vor, als würde es hier stärker regnen als in der Stadt«, antwortete Elena.
    »Vielleicht solltest du dann lieber in den Sommerferien wiederkommen.«
    Elena lächelte liebenswürdig. So leicht ließ sie sich nicht unterkriegen. »Im Sommer fahren wir meistens nach Avignon, zum Festival.«
    »Das ist nichts für Rob«, sagte Rebecca.
    »Woher willst du denn das wissen?«, fragte Suzan. »Rob ist doch ganz verrückt nach Musik.«
    »In Avignon geht’s mehr um Theater«, erklärte Elena.
    Robbi kam genau im richtigen Moment und brachte den Autoschlüssel und einen Regenschirm mit. Elena wickelte sich in ihren Mantel. Robbi öffnete den Schirm und hielt ihn Suzan über den Kopf.
    »Viel Spaß in Avignon«, sagte Rebecca.
    Elena drehte sich um. Durch die Wassergardine hindurch zischte sie: »Du bist ein gemeines Biest!«
    »Zimtzicke!«, erwiderte Rebecca.
    Ihr fiel nichts Gemeineres ein und sie starrte für einen kurzen Augenblick in Elenas kampfbereites Gesicht, bis das Mädchen sich umdrehte und mit eingezogenem Kopf hinter den anderen her über die Einfahrt rannte.
    »Ich bleibe hier!«, murmelte Rebecca.
    Was soll’s, dachte sie dann. Wieder einmal hatte sie das Gefühl, dass ihr Leben einem Roman glich, der sich hauptsächlich um andere drehte, und als sei sie bloß eine Zuschauerin, eine Statistin ohne Einfluss auf die Geschehnisse, die ihrem eigenen Rhythmus folgten, wie der Tod ihrer Mutter, ihr Umzug hierher, das Auftauchen Suzans. Sie war traurig oder sie war fröhlich, aber sie hatte keine Macht über die langen Phasen, in denen alles nur so vor
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