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Readwulf

Readwulf

Titel: Readwulf
Autoren: Sofi Mart
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dieser Mann sich nur dabei? Es brodelte in mir. Die Bahnfahrt war auch ohne diesen aufdringlichen Übergriff schon ätzend genug.
    Zu gern wollte ich mich in diesem Moment umdrehen, über ein Dutzend Fahrgäste springen und meine rechte Hand gnadenlos ihren Weg in sein noch makelloses Gesicht schlagen. Zorn stieg in mir auf und ich wurde steif. Um Entspannung ringend atmete ich tief ein. Ein großer Fehler bei meiner sensiblen Nase! Glücklicherweise stoppte die Bahn ihre Fahrt rechtzeitig und öffnete die Türen.
    Luft! Endlich! Oh verdammt, ich muss hier raus!
    Das war knapp! Wegen diesem blöden Kerl hätte ich um ein Haar die `South Kensington´ in West London verpasst.
    Zum Campus ging es noch ein kleines Stück durch den Hyde Park.
    »Hmm … Kurzurlaub für meine Nase«, murmelte ich, als mir schockierenderweise etwas auffiel: Der Geruch vorhin - Gestank klar, aber gepaart mit einer seltsam vertrauten Note.

    ***
    Ich war noch immer sehr angespannt, als ich die Tür zum Hörsaal erreichte. Gleich musste ich die Ergebnisse meines wissenschaftlichen Projektes der vergangen sechs Monate vorstellen. Mit dieser Arbeit wollte ich mich für die ausgeschriebene Forschungsstelle qualifizieren.
    Prof. Stonehaven war zwar mein Mentor und das schien von Vorteil, die Stelle wurde jedoch direkt von Dr. Nail, dem Leiter der Forschungseinrichtung, vergeben.
    Jeder in meinem Studiengang wollte diesen Job, nicht nur weil er Ruhm und Geld versprach. Nein, das bloße Mitwirken am Forschungsprojekt des Forensik-Teams unter der Leitung von Dr. William Nail öffnete alle Türen und man konnte sich tatsächlich überall für seine Assistenzzeit bewerben. Doch für mich ging es um so viel mehr.
    Weltklasse Jules ...
    Ich öffnete rasch die Tür, bevor ich es mir doch noch anders überlegen konnte. ’Augen zu und durch, das schaffst du schon!’, sprach ich mir heimlich Mut zu. Meine Füße fanden den Weg zum Rednerpult. Mein Magen drehte sich um, als ich in die gespannten Gesichter von Dr. Nail und seinem gesamten Team schaute. Damit fühlte ich mich überfordert! Wieso konnte mich denn niemand vorwarnen? Wenn ich mich nun blamierte, dann vor der versammelten Fachkompetenz unserer Campuselite.
    »Autsch!«, hallte es in meine Ohren. Das hatte ich jetzt nicht laut gesagt, oder doch? Die Antwort bekam ich sofort. »Juliette, hast du dir wehgetan?«, hörte ich Nathan fragen.
    Nathan war bereits Assistenzarzt. Die Freundlichkeit in seiner Stimme milderte die Anspannung meines Nervenkostüms ein wenig ab.
    »Nein, nicht wirklich«, entgegnete ich und sortierte eilig die Unterlagen aus meiner Tasche.
    »Nun, wir hören!«, kam im Anschluss fordernd von Dr. Nail. Ohne weiter auf die verunsichernden Stimmen meines verklärten Unterbewusstseins zu achten, atmete ich einmal tief durch. Anschließend gab ich geordnet und scharfsinnig meine Erkenntnisse der letzten sechs Forschungsmonate preis. Gebannt hörte und schaute man mir zu. Alle Aufregung war umsonst.
    Ich sah es deutlich in Prof. Stonehavens Gesicht. Stolz zeichnete sich ab, fast schon von väterlicher Natur. Zufriedene Mienen bei den Assistenzärzten, und auch die Forensiker wirkten beeindruckt. Ich hatte wohl selbst den von allen gefürchteten Dr. William Nail mit meiner Ausarbeitung zur Todeszeitpunktbestimmung mittels Fliegenlarven in meinen Bann ziehen können. Gut, zumindest sah er interessiert aus. Ein wichtiger Bestandteil meiner Ausarbeitung bezog sich auf den Fliegenlarvenkot und seine Zusammensetzung während der jeweiligen Entwicklungsstadien der Larven. Diesen Teil meines Vortrages verfolgte er aufmerksamer und machte sich dazu Notizen.
    Komplett entspannte ich jedoch erst, als ich das Strahlen in Nathans Gesicht bemerkte. Er hatte mich in den vergangen sechs Monaten bei meiner Ausarbeitung unterstützt. Uns vorzustellen war Prof. Stonehavens geniale Idee gewesen.
    Meine offizielle Bewerbung beendete ich mit den Worten: »Mein Dank gilt Nathan Dunn und seiner fachlichen Unterstützung.«
    Ich schaute ihm fest in die Augen: »Dankeschön«, und mit einem smarten Lächeln sammelte ich meine Unterlagen zusammen.
    Ein paar Tage würde ich noch auf die endgültige Entscheidung von Dr. Nail warten müssen, doch mich überkam zum ersten Mal an diesem Tag ein gelöstes Gefühl.
    Prof. Stonehaven beglückwünschte mich, für seine Verhältnisse überschwänglich, und schüttelte mir die Hand. Stolz und nochmals dankbar fiel ich danach in Nathans Arme.
    »Du bist der Allerbeste«,
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