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Readwulf

Readwulf

Titel: Readwulf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofi Mart
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Forensik und medizinische Forschung hieß zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Ein Blick auf die Uhr mahnte mich zur Eile. Mir blieben nur noch elf Minuten, um zur U-Bahnstation `Golders Green’ zu gelangen. Also rein in die Jeans, T-Shirt drüber und mit dem Kamm grob durch die Haare. Noch ein wenig Wasser ins Gesicht und über den Spiegel, um die letzten Schaumspuren zu beseitigen, Tasche geschnappt und ab die Post.
    Bis zur Uni musste ich etwa eine halbe Stunde Fahrzeit mit der U-Bahn über mich ergehen lassen. Im Sommer war das kaum auszuhalten. So ziemlich jedem fiel es schwer, diesen Mief einzuatmen. Mir jedoch blieb fast die Luft weg. Ich nahm einhundert mal mehr wahr, welch ekelerregender Dunst sich in dieser stickigen Bahn ansammelte. Jetzt, Mitte Juni, war es besonders schlimm!
    In letzter Minute erreichte ich den Bahnsteig. Menschen drängten sich in die bereits überfüllte U-Bahn. Ich vermutete langsam, ganz Borough wolle um diese Uhrzeit in die City fahren. Mein Gesicht vergrub ich, so gut es ging, in meinen blonden Haaren. »Ein Hauch Citrus mit Gestank«, schimpfte ich leise vor mich hin, während ich als Letzte in die Bahn stieg.

    ***
    Sie stand dicht an die Tür gedrängt, da die U-Bahn hoffnungslos überfüllt war. Ihre wilde Lockenpracht wirkte wie immer ungebändigt. In den vergangen Tagen hatte er sich einen Überblick über ihre Gewohnheiten verschafft. Wann und wohin sie das Haus verließ, selbst über ihre Schlafgewohnheiten war er bereits bestens im Bilde. Besonders über ihren bereits geflickten Jogginganzug, wohl ihr liebstes Kleidungsstück, konnte man wahrlich streiten. Er hatte schon viele schöne Frauen gesehen und konnte nicht sagen, dass diese heraus stach. Jedoch die ausgesprochen femininen Züge - Schmollmund, kleines Kinn und hohe Wangenknochen - beeindruckten ihn. Einzig ihre Augen hatten eine unnatürliche Färbung. Sie waren tief grün. Ihr Schimmer jedoch erinnerte ihn an einen dichten Tannenwald, auf den gerade die ersten Sonnenstrahlen des Tages fielen. Diesen faszinierenden Gedanken schob er rasch beiseite und rang um Konzentration. Derartig romantisch-verklärte Gedanken waren ihm bisher völlig fremd. Auch wenn er sich jetzt wieder im Griff hatte, dieser Job würde ihm noch einiges abverlangen.
    Seine Augen suchten eindringlich nach Antworten. Wieso ausgerechnet diese junge Frau sein Ziel sein sollte, verstand er nicht. Gefährlich sah sie nicht aus mit ihrer grazilen Figur. Sie trieb wohl Sport, doch einem Mann konnte sie kaum zu Leibe rücken. Im Gegenteil, sie wirkte verloren und unsicher in der Menge an Fahrgästen und ihr Gesicht verzog sich immer wieder zu einer angewiderten Grimasse.
    Im Griff hat sich die Kleine nicht , dachte Readwulf spöttisch und begann ihre Umhängetasche nach Waffen oder ähnlichem zu durchleuchten. Unizeugs und was zum Schreiben, Schlüssel, Taschentücher und ein Portemonnaie. Komm schon, wo?
    Für gewöhnlich entlarvte er seine Zielpersonen auf den ersten Blick. Niemand konnte etwas vor ihm verbergen. Readwulf scannte weiter und bemühte sich, ihren wohlgeformten Körper zu ignorieren. Nichts! , bemerkte er rasch und wieder drängte sich die Frage in den Vordergrund: Wieso ausgerechnet sie?
    Entkommen konnte dieses unsicher wirkende Frauenzimmer ihm nicht. Er beschloss also, sie noch eine Weile zu beobachten und hinter ihr Geheimnis zu kommen.
    Ohne einen Grund würde Bruder Darius ihm niemals einen solchen Auftrag erteilen. Ein bisschen freute er sich sogar über seine Aufgabe, das würde eine willkommene Abwechslung in seinem sonst sehr strukturierten Leben werden.

    ***
    Wieso starrt der so?
    Als ich den Blick dieses dunkelhaarigen Schönlings in der Bahn kreuzte, überkam mich ein eiskalter Schauer. Eigentlich vermied ich es, Menschen direkt in die Augen zu blicken. Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, war mir mehr als unangenehm. Leider aber Alltag und schon durch meine Größe von einem Meter neunundsiebzig vorprogrammiert.
    »Wieso starrt der so? Verdammt!«, grummelte ich nochmals in mich hinein. Als wenn das etwas nützen würde! Dieser Kerl wirkte durch und durch unverschämt und aufdringlich, er störte sich nicht einmal an den verstohlenen Blicken anderer Fahrgäste.
    Wie ein Röntgengerät!
    Demonstrativ drehte ich ihm den Rücken zu. Auch das half mir nicht, der Situation zu entkommen. Ich spürte seine durchdringenden Blicke überall auf meinem Körper. Gänsehaut machte sich auf meinen Unterarmen breit. Was dachte

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