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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze
Autoren: Sue Twin
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Löwen liegt. Wenn dieser Tag gekommen ist, dann herrscht Frieden, behauptete unsere
Priesterin eines Tages während des Religionsunterrichts. Damals nannte sie sich
noch   Sènna. Mittlerweile ist sie in den
Rang der Hohepriesterin aufgestiegen und damit die einundzwanzigste Alda Sanctanima .
    Unwillig schüttelte ich an jenem Tag in der
heiligen Halle den Kopf. Ich war sieben Jahre alt und ich glaubte nicht an den
Frieden. Damals habe ich zum ersten Mal einem Erwachsenen widersprochen.
    »Dieser Tag wird niemals kommen«, entgegnete ich.
    »Die Wege der Götter sind unergründlich«, hatte die
Priesterin geantwortet und mich mit gütiger Miene angelächelt.
    »Nein, sie sind ganz klar«, widersprach ich erneut,
denn ich war mir meiner Sache absolut sicher.
    »Wie kommst du darauf, mein Kind?« Die Priesterin
beugte sich in meine Richtung.
    Jetzt hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit. Tapfer
starrte ich auf ihre gehobene Augenbraue. »Die Götter haben sich längst entschieden.«
    »Und wieso glaubst du das?«
    »Ich glaube es nicht, ich weiß es. Die Götter
haben das entschieden, als sie die Löwen haben sterben lassen. Ohne die Löwen
kann es keinen Frieden mit dem Lamm geben«, hatte ich geantwortet. Noch immer
muss ich schmunzeln über meine kindliche Logik.
    Anstatt mich zu schelten, antwortete die
Hohepriesterin: »Dann musst du eines Tages die Löwen suchen gehen!«
    Zornige Stimmen reißen mich aus meinen Gedanken. Nebenan
ist das Gemurmel meiner Eltern stetig lauter geworden. Sie streiten mittlerweile
so heftig, dass ich ihre Worte verstehen kann.
      »Sie wird
so schnell wie möglich heiraten und in die Obhut eines Mannes übergeben. Nur
dann ist sie sicher«, sagt mein Vater.
    »Aber sie ist noch nicht so weit. Pa:ris ist
wütend auf sie. Und ich fürchte, sie wird sich gegen ihn entscheiden. Schon aus
Trotz.«
    »Dann wird sie mit der Entscheidung leben müssen.«
    »Wie kannst du so grausam sein? Gib ihr dieses
Jahr! Du weißt doch, wie wichtig es für die jungen Mädchen ist, richtig zu
wählen. Das können sie nur, wenn sie dieses eine, freie Jahr haben.«
    »Das mag für alle anderen gelten, aber nicht für
Soraya. Sie ist nicht wie die anderen. Sie gehorcht nicht. Du weißt, was mit
Mädchen geschieht, die keinem Mann gehören.«
    Meine Mutter schluchzt. »Und das Gill-Corps?«
    »Wohl kaum.« Mein Vater lacht, aber er klingt dabei
wütend. »Selbst wenn sie die Aufnahmeprüfung schafft, gebe ich ihr einen Tag,
dann steht sie vor dem Militärgericht und wird standrechtlich erschossen.«
    Ich bin verzweifelt. Warum traut mein Vater mir
das nicht zu? Noch brennender lastet allerdings die Frage auf mir, was
geschehen wird, wenn ich weder heirate noch zum Corps gehe. Solche Mädchen verschwinden einfach
irgendwann, erzählt man sich hinter vorgehaltener Hand. Wenn ich meine
Mutter danach frage, sagt sie stets, ich sei noch zu jung, um das zu begreifen.
Doch jetzt bin ich es nicht mehr – und ich habe immer noch keine Antworten.
    Plötzlich flüstern meine Eltern. Warum flüstern
sie auf einmal? Hastig krieche ich aus meinem Bett. Meine bandagierten Füße
brennen. Ich ignoriere den Schmerz und schleiche über den kalten Steinboden zur
Verbindungswand, lege meine Wange an die Mauerziegel und horche. Ungläubig
weiche ich mit dem Oberkörper zurück. Ich muss mich verhört haben. Erneut beuge
ich mich vor und lehne mich mit einem Ohr an die Wand, ich drücke den Kopf fest
gegen die Mauer. Das Blut in den Gehörgängen beginnt heiß zu pochen. Die Worte
meiner Eltern bohren sich in meinen Schädel.
    Was ich in dieser Nacht höre, zerreißt sämtliche
Illusionen darüber, wer ich bin und was aus meinem Leben wird.
    Halt suchend kralle ich mich an die roten
Backsteine, drücke die glühende Wange an die kalte Wand, meine Knie zittern,
ich friere erbärmlich, aber ich kann mich keinen Schritt von der Stelle
bewegen.
    Längst schweigen meine Eltern.
    Tränen rinnen über meine Wangen.
    Endlich kann ich mich wieder rühren. Ich löse mich
aus der Starre und schleiche zum Bett zurück. Es steht in der Mitte des Raumes.
Ich setzte mich auf die Kante und ziehe die Füße an. Ratlos wiege ich meinen
müden Körper. Das alte Eisengestell quietscht leise. Ich habe nicht viel. Ein
Bett mit einer Strohmatratze und eine Wolldecke. Gegenüber lehnt ein
Holzschrank, in ihm befinden sich ein paar Leinenkleider, Hosen und Wolljacken.
Daneben stehen ein Holztisch mit einem Stuhl und ein Regal mit Leseplatten, die
tagsüber
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