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Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze

Titel: Raya und Kill - Gefaehrliche Grenze
Autoren: Sue Twin
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zwanzig weitere Nachrichten drauf. Das hier …«, er klopft mit dem
Zeigefinger auf das glänzende Tablett, »das ist offizielles Stadteigentum. Ich
bin ein Kurier, kein persönlicher Diener.«
    »Tut mir leid. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Es
ist nur so … ich habe noch nie so eine Nachricht bekommen«, stammele ich.
    Meine Mutter hält ihm eine Tasse Getreidekaffee
hin.
    »Hier, nehmen Sie!«
    »Ich bin im Dienst. Soll das ein
Bestechungsversuch sein?«
    »Nein.« Sie senkt den Blick.
    In meinen Händen beginnt das pulsierende Blut zu
kribbeln und meine Schläfen pochen. Sie ist so erbärmlich feige. Ich kann es
nicht leiden, wenn sie so unterwürfig ist.
    »Nun ist es aber gut, junger Mann. Meine Frau
wollte nur höflich und gastfreundlich sein«, mischt sich mein Vater ein und
drängt meine Mutter beiseite.
    Der Kurier dreht den Kopf weg. Er steckt die
Platte ein. Sein Auftrag ist erledigt. Zum Abschied legt er die flache Hand an
seine Brust, dort wo das Herz sitzt. Mechanisch grüßen wir auf dieselbe Weise zurück
und bekräftigen damit symbolisch, dass unter der Hand ein rein menschliches
Herz schlägt.

 
    ***
    »Nein, nicht das Kleid, M…« Ich beiße mir auf die
Unterlippe. Kaum zu glauben, Mum, ein
Wort, das bis gestern angefüllt war mit Zuneigung, Vertrauen und innerer
Verbundenheit, das existiert heute nicht mehr. Mum und Dad, diese Begriffe haben sich letzte Nacht in Luft
aufgelöst. Das Band ist zerrissen.
    »Mum!« Verzweifelt spreche ich das Wort aus, aber
es klingt hölzern und hohl aus meinem Mund. »Ich will das Kleid nicht anziehen.«
    Überrascht zieht sie eine Augenbraue hoch. »Warum
willst du es denn nicht? Es ist ordentlich und sauber.«
    »Eben darum.«
    »Du musst bei Gericht einen guten Eindruck
hinterlassen.«
    »Muss ich das? Ich hatte gestern das Gefühl, dass
Cesare längst über mich geurteilt hat. Wann sind wir bei ihm in Ungnade
gefallen? Erzähl es mir! War es, als sein Sohn begann, sich für mich zu
interessieren?«
    »So darfst du nicht reden. Wir sind immer gut mit
Cesare Liberius ausgekommen. Er behandelt uns wie seinesgleichen. Seinen Zorn
hast du dir selbst zuzuschreiben. Du hättest Pa:ris viel mehr umschmeicheln
müssen. Es ist eine große Ehre, wenn der Sohn…«
    »Oh nein, nicht das schon wieder. Wir sind
zusammen in die Schule gegangen. Haben voneinander abgeschrieben und gemeinsam
die Strafarbeiten gemacht. Ich kann ihn nicht umschmeicheln. Er weiß, was ich
denke. Und bis gestern war es auch noch okay, wenn wir zusammen die Regeln
gebrochen haben. Wusstest du, dass wir in den Ruinen nach Brauchbarem gesucht
haben? Obwohl es verboten ist. Uns hat nie jemand erwischt. Und wir sind mehr
als einmal heimlich auf den Stadtturm geklettert, als unten die rote Fahne
gehisst war.«
    »Um Himmels willen, wie konntet ihr nur so
unvernünftig sein?«
    »Wir waren Kinder. Es waren Mutproben.«
    Wir wollten nur einmal einen Falkgreifer von Nahem
sehen. Eines Tages kam sogar einer näher am Ausguck vorbei geflogen, aber
Pa:ris hat mir die Augen zugehalten und sich mit mir hinter einen Pfosten
gequetscht. Ich schlucke. War das der Moment, der alles zum Kippen gebracht
hat? Pa:ris hat sich plötzlich an mich gedrängt, auch als sich die laut
rauschenden Schwingen des Falkgreifers längst entfernt hatten. Er hat schwer
geatmet und seine Hand unter meine Bluse geschoben. Ich habe es zugelassen,
denn er war mir so vertraut und ich war neugierig. Aber sein Kuss schmeckte
salzig, und da habe ich ihn von mir weggestoßen.
    Damals habe ich ihn zum ersten Mal belogen. »Ich
bin noch nicht bereit dazu«, habe ich gesagt. Er wirkte so tief verletzt auf
mich. Da musste ich irgend etwas Nettes zu ihm sagen, etwas, das ihn wieder besänftigt.
»Wenn einer, dann nur du, Pa:ris«,
habe ich ihm versprochen. Und er hat mir geglaubt.
    Bald schon werde ich mein Versprechen einlösen
müssen. Das unscheinbare, graue Leinenkleid in den Händen meiner Mutter holt mich
in die Wirklichkeit zurück.
    »Viel zu schlicht. Ich muss Pa:ris gefallen. Er
ist der Sohn des Statthalters. Und damit hat er die freie Wahl.«
    Die Zornesfalte auf der Stirn meiner Mutter glättet
sich zunehmend. »Du könntest recht haben. Es wäre gut, wenn sich zwischen euch alles
schnell wieder einrenkt.«
    »Eben drum.« Ich halte ein rotes Kleid hoch. »Das
und kein anderes.«
    Das darf
nicht wahr sein, denke ich. Mein kleines
Weltbild ist in der vergangenen Nacht zerrissen und ich versuche die Wahrheit
mit einem roten Kleid
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