Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
sehen.
    »Wer tut so etwas?«, murmelte er immer wieder. »Wer?«
    »Mich würde viel mehr die Frage interessieren, warum er das getan hat«, sagte Raven halblaut.
    »Lösen wir die eine, und die Antwort auf die andere kommt gleich mit«, antwortete Card. »Aber ich fürchte, die Antworten werden uns nicht gefallen.«
    Er schüttelte erneut den Kopf, vergrub die Hände in den Manteltaschen und sah sich unschlüssig um. Sein Blick blieb einen Moment auf der kurzen Reihe schmaler, in weiße Leinentücher gehüllter Körper haften und wanderte dann weiter.
    »Wenigstens ist Hillary nicht darunter«, sagte er. »Auch nicht bei den Verletzten.«
    »Wobei wir noch gar keinen Anhaltspunkt haben, dass sie überhaupt im Zug war«, gab Raven zu bedenken. »Oder einer der anderen.«
    Card sah mit einer ruckhaften Bewegung auf und lächelte matt. »Brauchen Sie noch mehr Beweise?«, fragte er. »Ich verwette meinen Kopf, dass das hier kein Zufall ist.«
    »Geben Sie Acht, dass niemand die Wette annimmt, Inspektor.«
    Cards Lächeln wurde ein wenig säuerlicher. »Ich fürchte, das ist bereits geschehen. Ja, ich nehme an, in der Stadt werden eine Menge Köpfe rollen, wenn wir das hier nicht schnell und überzeugend erklären können. Und meiner ist garantiert mit dabei.«
    Er seufzte, nahm die Hände aus den Taschen und fuhr sich mit einer müden Geste über die Augen.
    »Vom Rumlamentieren wird es auch nicht besser«, sagte er. »Kommen Sie, Raven! Sehen wir uns um.« Er wandte sich um, blickte ein letztes Mal über die zerstörten Wagen und trat dann an die Tunnelwand heran.
    Sie war feucht und mürbe, mit großen, an weißliche Krebsgeschwüre erinnernde Flecken schleimigen Schimmels überzogen und brüchig vom Alter. Wenn es auf dem feuchten Boden jemals Spuren gegeben hatte, so waren sie längst verschwunden, zertrampelt von den Rettungsmannschaften.
    »Was ist mit dem Gang da hinten?« Raven deutete mit einer Kopfbewegung auf einen niedrigen, halbrunden Durchgang. Seine Ränder wirkten frisch und weiß, und der unregelmäßige Stein- und Kalkhaufen davor bewies, dass die Trennwand erst vor Kurzem niedergebrochen war.
    »Blind«, antwortete Card. »Wahrscheinlich ist die Mauer durch die Erschütterung zusammengefallen. Er endet nach wenigen Schritten vor einer zweiten Wand.«
    Raven sah den Inspektor nachdenklich an und näherte sich dann dem Durchgang. Seine Hand glitt in die Tasche und umklammerte den kleinen, sternförmigen Stein. Das Material schien unter seinen Fingern zu pulsieren.
    Card hatte Recht. Der Gang führte ein Stück weit in steilem Winkel abwärts und endete dann vor einer zweiten, unbeschädigten Wand. Es gab unzählige solcher Tunnel hier unten - Hunderte, vielleicht Tausende. Aber die meisten waren - wie dieser - schon vor langer Zeit zugemauert und unpassierbar gemacht worden.
    Aber irgendetwas an diesem Gang störte ihn. Er wusste nicht, was, aber es war ein Gefühl von solcher Stärke, dass er einfach weitergehen musste.
    Der Boden unter seinen Füßen war weich und klebrig; festgestampfter Lehm, der sich wie ein riesiger Schwamm mit Wasser vollgesogen hatte und bei jedem Schritt schmatzende Geräusche von sich gab. Die Luft roch trocken, trotz der überall sichtbaren Feuchtigkeit. Raven blieb stehen, berührte zaghaft die Wand und zog die Finger so hastig zurück, als hätte er sich verbrannt.
    »Was ist?«, fragte Card hinter ihm. Die niedrige Tunneldecke fing seine Worte auf, ließ sie als verzerrtes Echo widerhallen. Als Echo, das wesentlich kräftiger war, als es in einem so kurzen Gang hätte sein dürfen.
    »Fühlen Sie selbst«, sagte Raven.
    Card gehorchte, runzelte verblüfft die Stirn und probierte es noch einmal, diesmal mit der ganzen Hand.
    »Trocken«, sagte er verwirrt. »Dabei ...«
    »... schwimmt dieser Gang vor Nässe«, beendete Raven den Satz. »Oder er sieht jedenfalls so aus. Kommen Sie, Card! Ich habe das Gefühl, wir sind auf dem richtigen Weg.«
    Sie gingen tiefer in den Stollen hinein. Raven blieb dicht vor der abschließenden Wand stehen, streckte die Hand aus und berührte sie vorsichtig.
    Jedenfalls wollte er es.
    Aber seine Finger glitten mühelos durch den massiven Stein hindurch.
    Da war keine Wand.
    Card ächzte. »Was - ist das?« Er schob sich an Raven vorbei, streckte ebenfalls die Hand aus und sprang mit einem erschrockenen Ausruf zurück, als seine Finger gegen ein massives Hindernis stießen.
    Raven starrte ihn verwirrt an, probierte es noch einmal und spürte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher