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Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Raven - Schattenreiter (6 Romane)

Titel: Raven - Schattenreiter (6 Romane)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Vorweihnachtszeit, mit besonderer Pracht ausstaffiert waren. Dick vermummte Menschen hasteten an ihm vorüber, und aus der halb offen stehenden Tür eines Spielzeugladens drang fröhliche Weihnachtsmusik.
    Aber Jeffrey spürte von all dem Trubel kaum etwas. Seine Gedanken kreisten um Paul. Es war erschreckend, welche Veränderung in den letzten drei Jahren mit seinem Cousin vor sich gegangen war. Aber genau betrachtet war auch Jeffrey nicht mehr der Alte. Im Gegenteil - in gewissem Sinn schienen sie ihre Rollen getauscht zu haben. Früher war er immer der Vorsichtigere und Ängstlichere gewesen und Paul der Aktive.
    Aber in jener unheimlichen Vollmondnacht am Chad-el-arab war vieles geschehen. Vieles, was Jeffrey sich auch heute noch nicht erklären konnte. Und wenn er ehrlich war, dann musste er zugeben, dass er es auch gar nicht wollte.
    Jeffrey spürte plötzlich, wie kalt es war. Seine Hände waren steif und prickelten. Er dachte an den Mantel, den er im Büro hatte hängen lassen, aber jetzt war es zu spät, um umzukehren.
    Eigentlich, dachte er verwundert, hätte er die Bushaltestelle längst erreichen müssen. Er hatte nicht auf den Weg geachtet, aber er war sicher, dass er schon mehr als zwei Straßen überquert hatte.
    Er blieb stehen, drehte sich langsam im Kreis und musterte die einförmige, bunte Schaufensterfront und den fließenden Verkehr.
    Kein Zweifel - er hatte sich verirrt. Ein kleines, schleichendes Gefühl der Angst nistete sich in seinem Magen ein. Pauls Worte fielen ihm ein.
    »Er ist hier, Jeff, ich spüre es. Er ist hier!«
    Er vertrieb die Erinnerung mit einer ärgerlichen Kopfbewegung und ging weiter. Es hatte keinen Sinn, sich selbst nervös zu machen. Pauls Verrücktheiten begannen ihn bereits anzustecken.
    Er hielt wieder nach einem Taxi Ausschau. Seine Augen brannten, und die grellen Lichtkreise der Scheinwerfer schienen irgendwie stechend, quälend; grelle Lichtpfeile, die direkt auf seine Netzhäute gezielt waren.
    Er blinzelte, trat vom Straßenrand zurück und fuhr sich mit einer fahrigen Geste über die Augen. In letzter Zeit hatte er das öfter: ein kaum merkliches Flackern, so als bewegte sich etwas am Rande seines Sichtfeldes, ein schneller, huschender Schatten, der immer sofort verschwand, wenn er genau hinsah. Er hatte sich schon lange vorgenommen, zum Augenarzt zu gehen.
    Aber bisher hatte er nie Zeit dafür gefunden.
    Er drehte sich um, schlug den Jackenkragen hoch und vergrub die Hände in den Taschen. Zur Not konnte er auch bis Pauls Wohnung laufen.
    Auf eine seltsame, mit Logik nicht zu erklärende Art flößte ihm seine Umgebung Angst ein. Er ging jetzt schneller, aber die Häuser um ihn herum waren von monotoner Gleichförmigkeit, sodass er trotzdem nicht von der Stelle zu kommen schien. Es war, als würde er um eine gigantische Litfasssäule herumlaufen, auf die die Straßenfassade aufgemalt war.
    Er ertappte sich dabei, wie er stehen blieb und aus zusammengekniffenen Augen auf den glitzernden Verkehrsstrom hinter sich starrte. Plötzlich hatte er Angst, dort irgendetwas Bedrohliches, Schreckliches auftauchen zu sehen.
    Sein Herz schlug rasch und schmerzhaft hart, und in seinen Ohren war ein dumpfes, rhythmisches Rauschen; das Geräusch seines eigenen Blutes.
    Angst?, dachte er.
    Unsinn.
    Er hatte überhaupt keinen Grund, Angst zu haben.
    Er ging weiter. Seine Schritte erzeugten ein seltsames, klapperndes Echo auf dem feuchten Asphalt, und nach einiger Zeit glaubte er, ein fernes Pochen zu hören. Ein dunkler, schwingender Ton, der ihn an den Klang nächtlicher Trommeln erinnerte. Verzweifelt versuchte er sich einzureden, dass alles Illusion war, dass seine überreizten Nerven ihm einen Streich spielten und er sich albern und dumm benahm.
    Aber das Geräusch war da. Er hörte es deutlich, und es schien mit jeder Sekunde lauter zu werden, lauter und intensiver und drohender.
    Er trat wieder an den Straßenrand, suchte verzweifelt nach einem Taxi und winkte schließlich den erstbesten Wagen. Aber natürlich hielt niemand. Er musste schon eine recht merkwürdige Figur abgeben, wie er da so am Straßenrand stand, nur mit einem dünnen Sommerjackett bekleidet, zitternd, bleich und vor Angst schwitzend - wahrscheinlich hätte auch er nicht angehalten, wenn die Situation umgekehrt gewesen wäre.
    Irgendwo in dem wogenden Meer aus grellen Lichtkreisen vor ihm war Bewegung. Es war nicht das gewohnte Dahingleiten der Wagen, die, einem geheimnisvollen Rhythmus folgend, anfuhren,
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