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Raus aus der Suchtfalle

Raus aus der Suchtfalle

Titel: Raus aus der Suchtfalle
Autoren: Cornelia Dehner-Rau , Harald Rau
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erleben, dass bei ihnen Alkohol oder Medikamente kurzfristig innere Spannungen vermindern. Manche Betroffene verlernen andere – hilfreichere – Möglichkeiten, mit Belastungen umzugehen. Sie suchen nicht mehr das Gespräch mit der Familie oder den Kollegen, sondern ziehen sich mit dem Suchtmittel zurück. Meist beginnen Betroffene heimlich zu konsumieren und sich Vorräte anzulegen. Durch die Einengung auf den Suchtmittelkonsum fehlt es an Erfolgserlebnissen und Verstärkern für das Selbstbewusstsein. Fähigkeitenim Kontakt mit anderen Menschen, die sogenannten sozialen Kompetenzen, werden nicht weiterentwickelt oder verkümmern sogar. Hat jemand sowieso schon Ängste in sozialen Kontakten, scheint das Suchtmittel der einzige Weg zu sein, um Hemmungen abzubauen. Die Selbstwirksamkeitserwartung, d. h. das Gefühl, selbst etwas bewirken und beeinflussen zu können, sinkt.
Das Suchtmittel lässt Probleme – zumindest vorübergehend – verschwinden
    Das Suchtmittel wird zum »Problemlöser«.
    In aller Regel entsteht eine Medikamentenabhängigkeit dadurch, dass ein suchterzeugendes Medikament, also eine beruhigende, angstlösende, muskelentspannende oder schlaffördernde Medikation, ein anderes Problem lösen soll. Diese Medikamente wirken in aller Regel recht schnell: Ihre Wirkung ist in weniger als einer Stunde nach der Einnahme deutlich und angenehm spürbar. Somit halten sie, was sie versprechen: Das eigentliche Problem scheint gut behandelt zu sein. Allerdings: Wenn das eigentliche Problem nicht anders gelöst wird, wird es auch nach Absetzen oder Ausschleichen der Medikamente fortbestehen.
    Leider kann es sich auch ereignen, dass ein Problem erst durch das Medikament entsteht. Ein Beispiel ist Frau W. aus unserer Fallgeschichte auf →  S. 14 : Sie erhielt ein Benzodiazepin wegen starker Rückenschmerzen. Das Medikament linderte nicht nur die Rückenschmerzen, sondern verbesserte bei ihr das Einschlafen. Sie hatte früher zwar nicht wirklich unter Schlafstörungen gelitten, brauchte aber immer einige Zeit bis zum Einschlafen. Bei Aussetzungsversuchen des Medikaments bemerkte sie, dass sie erheblich länger als früher brauchte, bis sie wieder einschlafen konnte: Das Medikament hat eine Schlafstörung begünstigt.
    Info
    Was versteht man unter »Selbstmedikation«?
    Da Alkohol und Medikamente bei einigen psychischen Problemen kurzfristig erleichternd wirken, wird gelegentlich von »Selbstmedikation« gesprochen: Nach einer Traumatisierung, also einem Autounfall, einer Vergewaltigung oder einer sonstigen schlimmen Erfahrung, bekommen Betroffene die schrecklichen Bilder oft nicht »aus dem Kopf«, stellen aber fest, dass Alkohol oder Beruhigungsmedikamente beim »Abschalten« helfen.
    Das Suchtmittel hat dabei die Funktion der Beruhigung und Betäubung, wenn Gefühle, Erinnerungen und Schmerz unkontrollierbar werden. Kurzfristig tritt eine Entlastung ein; langfristig schwächt der Suchtmittelgebrauch die eigene Widerstandskraft.
    Aktuelle Belastungen durch Arbeitslosigkeit, Krankheit, Todesfälle oder Trennungssituationen können ebenfalls zu einem verstärkten Substanzgebrauch führen. Wer vor ähnlichen Hintergründen Suchtmittelkonsum betreibt, wird erst dann mit einem geringeren Konsum oder ganz abstinent leben können, wenn andere Möglichkeiten vorhanden sind, mit diesen Schwierigkeiten umzugehen.
    Wer sozial gehemmt ist, kann die Alkoholwirkung als befreiend erleben, weil die Kontaktfähigkeit vergrößert ist. Wer Angst- und Panikstörungen hat, fühlt sich unter den Beruhigungsmitteln oder Alkohol angstfrei und gut. Wer unter depressiven Phasen leidet, empfindet die Wirkung von Alkohol als befreiend.
    Da diese hilfreiche Wirkung infolge der Toleranzentwicklung nachlässt und Alkohol und Medikamente eben auch andere, hinderliche Wirkungen entfalten, ist diese »Selbstmedikation« keine dauerhafte Lösung. Deshalb spielt es bei der Behandlung einer Suchterkrankung eine große Rolle, wenn eine solche zusätzliche Beeinträchtigung vorliegt. Wenn dies der Fall ist, muss für diese Beeinträchtigung eine Lösung gefunden werden, sonst wird es besonders schwierig sein, auf das Suchtmittel zu verzichten.
Bagatellisieren: Das Suchtproblem wird verleugnet
    Viele Betroffene haben lange Zeit keine realistische Wahrnehmung für ihren problematischen oder bereits krankhaften Konsum. Das hängt mit unserer Wahrnehmung zusammen. Für die psychologischen Mechanismen der Wahrnehmung gilt – ganzverkürzt dargestellt:
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