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Raus aus dem Har(t)z IV!

Raus aus dem Har(t)z IV!

Titel: Raus aus dem Har(t)z IV!
Autoren: Diana Meier
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in der Hoffnung, jetzt in Ruhe gelassen zu werden. Als ob dieser Ort nicht schon allein schlimm genug wäre, mussten mir jetzt diese drei Proleten den Tag versauen. Und nein, Frau Schimmelpfennig bin ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht begegnet. „ Hehe, Du bist ja ne ulkige Kleene. Ick bin der Micha. Also eigentlich ja Michael, aber meine Freunde nennen mich alle Micha musste wissen. “ der dritte im Bunde suchte jetzt auch den Anschluss. „Schön zu wissen, Michael. Wie ich heiße hast Du ja mitbekommen.“ Ob er merkte, dass ich bewusst auf das ‚ Micha ‘ verzichtete? Ich ließ meinen Blick im Raum umher wandern, nur um zu sehen, welche Nummer als nächstes aufgerufen werden würde. Bitte lass es die 624 sein . Bitte lass es die 624 sein . Ich schwor mir selbst, in der Kirche eine Kerze anzünden zu gehen, wenn es die 624 sein würde. Meine Nummer, die ich vor wenigen Minuten gezogen habe. Schock! Auf dem Zähler stand 582! Ich musste mich weiter erbarmen und mir das Gerede von Fußball, Schicksalen und persönlichen Tiefschlägen der Drei anhören. Sie lebten zusammen in einer Wohngemeinschaft und haben sich ursprünglich hier kennen gelernt. So ein Zufall. ‚Hauptsache die denken nicht, ich würde jetzt auch noch zu ihnen ziehen. Scheint ja Tradition zu haben bei denen.‘ Mir fuhr es eiskalt durch die Knochen, als sie das erwähnten. Doch je mehr sie redeten, desto sympathischer wurden sie auch. Nicht in der Form, dass ich es nicht erwarten könnte, sie wieder zu sehen. Mehr in der Form, dass sich daraus schließlich doch eine nette Konversation entwickelte. Tja, und hier standen sie nun. Hinter mir an der Supermarktkasse, an der es heute wieder mal gar nicht vorwärts ging. Noch drei vollgepackte Einkaufwagen, bis ich endlich die Gelegenheit bekommen würde, meine Sachen auf das Band an der Kasse zu legen, an der eine Kassiererin in einer derartigen Geschwindigkeit die Artikel über den Scanner schob, dass ich dachte, sie würde unter Rauschmitteln stehen. Ist es jetzt eine Dienstvorschrift bei diesem Discounter, Speed oder andere Rauschmittel einzupfeifen bevor man seinen Dienst antritt? Und warum müssen die Leute immer so viel in ihre Einkaufwagen legen, dass man denken könnte, ab morgen gibt es nichts mehr Essbares zu kaufen? Man möchte den Leuten am liebsten zurufen, dass weder morgen die Mauer wieder hochgezogen wird, noch dass der Iwan einmarschiert. Also Jeder jeden Tag einkaufen kann und das Leben im Überfluss noch lange nicht mit dem Schließen des Supermarktes am heutigen Abend zu Ende ist. Zumindest für die, die es sich leisten können. Also die Anderen , nicht ich.  Und als ich da so stand an der Kasse, da tippten mich gefühlte 20 Hände von hinten auf die Schulter und als ich mich umblickte grinsten drei Köpfe bis über beide Ohren. In einem Moment scheinbarer geistiger Umnachtung habe ich mich dann dazu hinreißen zu lassen, die drei auf ein Weihnachtsessen einzuladen. Ob es unterdrückte Muttergefühle waren oder einfach aus dem Bedürfnis heraus, diese drei Burschen nicht an Weihnachten mit Dosen- Kohlrouladen feiern zu wissen? Ich weiß es nicht mehr. In jedem Fall bereute ich diese Einladung inzwischen, als ich merklich aggressiver in Richtung meiner Wohnung lief, die in einem -in schicken ‚Sozialistengrau Edition 1960‘  gehaltenen- mittelhohen Hochhaus war. Ein Plattenbau. ‚ Arbeiterschubfächer ‘ haben wir diese Wohnungen früher genannt. Früher, bevor die Mauer aufging. Damals war ich gerade 21 Jahre alt, als das passierte. Heute lebe ich in einem solchen Schubfach und wäre froh, ich hätte Arbeit. Also müsste es eher ‚ Arbeitslosenschubfach ‘ heißen, oder? Mit schnellen Schritten lief ich die Treppenstufen hoch, die mich zum Haupteingang des Hauses brachten. Schnell den Schlüssel aus der Manteltasche gekramt und nur noch herein in die Wärme des Treppenflurs.
     
    Bevor ich nach oben ging schaute ich noch schnell in den Briefkasten. Den Schlüssel hatte ich ohnehin noch in der Hand. Vielleicht gab es ja einen Arbeitsengel in der Arbeitsagentur und Generalmajor Schimmelpfennig war krank, sodass die Chance bestand ein Arbeitsangebot im Kasten vorzufinden? Die Hoffnung stirbt nie. Tatsächlich! Ein Brief im Kasten. Grauer Umschlag, Ökopapier. Die Indizien deuten auf eine staatliche Behörde. Ich stellte meine Einkaufstüten ab und nahm den Brief aus dem Kasten. Der Blick ins Adressfeld brachte dann die Ernüchterung: Aishe Yilmaz . Der Blick auf den Absender
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