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Raus aus dem Har(t)z IV!

Raus aus dem Har(t)z IV!

Titel: Raus aus dem Har(t)z IV!
Autoren: Diana Meier
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alles zusammenzuaddieren, nur um dann zu erkennen, dass es sich ja gar nicht mehr lohnt, arbeiten zu gehen. Für einen Almosenbetrag, den sie dann mehr gehabt hätten, plötzlich nicht mehr ausschlafen und den Tag genießen? Dann lieber auf das Steak verzichten und die Tütensuppe aufreißen, bevor man sich neun Stunden oder mehr abrackert, nur um vielleicht einhundert oder zweihundert Euro mehr im Monat zu haben. Es gibt eben auch clevere Rechner unter denjenigen, die wie Sterntaler im Märchen die Schürze weit aufhalten, nur um so viel wie möglich aus der Gießkanne aufzufangen, aus der der Staat und die öffentliche Hand den warmen Geldregen über jene Menschen ausschüttet. Wer es erst einmal geschafft hat, aus der Arbeitsagentur hin zu Hartz IV zu gelangen, für den konnte dieser Traum bis zum Lebensende wahr werden. Gelten doch Hartz IV Empfänger immer noch als „endgültig nicht auf den Arbeitsmarkt vermittelbar“. Das einzige Risiko für jene Menschen ist es doch, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I in den Statistiken der Arbeitsagentur gelistet zu sein. Dann ist das Risiko noch vorhanden, dass sich tatsächlich ein Sachbearbeiter die Mühe macht, einen geeigneten Job zu finden, den man dann auch antreten muss, möchte man nicht den Geldregen der öffentlichen Hand gänzlich versiegen lassen. Leider, zumindest in den Augen jener Menschen, gibt es eben auch solche tüchtigen Sachbearbeiter auf den Ämtern, die den Menschen helfen wollen.
    ***

 
    Trauriger Weise hatte ich nur keinen solchen tüchtigen Mitarbeiter erwischt. Ich erwischte Frau Schimmelpfennig. Doch ganz anders als der Name es suggerieren wollte, hatte ich bei unserem ersten Treffen nicht den Eindruck, dass bei ihr Lebensmittel schimmeln könnten. Vermutlich hatten sie nicht einmal die Zeit, in den Topf oder die Pfanne zu gelangen, sondern mussten mit der Angst leben, gleich roh und ungewürzt verschlungen zu werden. Gabi Schimmelpfennig, die Wuchtbrumme fachlicher Inkompetenz war meine Sachbearbeiterin und der Grundstein unserer gegenseitigen Ablehnung wurde schon bei unserem ersten persönlichen Aufeinandertreffen gelegt, als sie mir an den Kopf knallte:  „ Also es tut mir ja furchtbar traurig, Frau Meier, aber leider ham‘ wer nüscht für Sie. Sehn’se ich hab in meinem Gom- puter nüscht stehn. Da is keene Arbeit für Sie drinne, ne wahr “. Dabei sprach sie so von dem Wunder der elektronischen Datenverarbeitung, dass man meinte, es sei eine männliche Pute, wenn sie das Wort ‚Computer‘ in ein sächsisches ‚Komm‘ und den ‚Puter‘ zusammensetzte, inklusive der Pause zwischen den beiden Wörtern, die einem erst einmal vor Augen führte, dass Frau Schimmelpfennig vermutlich zu Hause von den Segen der technischen Revolution bislang verschont geblieben ist. Ich konnte mich nicht zurückhalten und konterte nach einer kurzen gedanklichen Pause, in der ich versuchte zu eruieren, wie sie es schaffte, mit den fleischigen Fingern die dagegen zart wirkenden Tasten der Tastatur zu treffen, in perfektem Hochdeutsch: „Frau Schimmelpfennig, ich möchte auch nicht in einem Computer arbeiten, sondern in der realen Welt.“.
     
    „ Na jetz wer’n se mal nich vorwitzig. Globen se im Ernst, sie sin hier die eenzije, die nach Arbeit guggt ?“. Dabei schlug sie einen Ton an, als sei sie die geistige Tochter von Eva Braun und Hitler. Erst jetzt viel mir auf, als sie mich dabei mit leicht entsetzten Augen ansah –wie konnte ich es nur wagen, mich nicht mit der Standardantwort zufrieden zu geben und dafür zu sorgen, dass sie vielleicht arbeiten und dabei die wundervollen Kalorien verbrennen muss, die sie ja um ihre Taille in Form eines fettigen Ringes hortet, wie das Eichhörnchen die Eicheln für den Winter- dass Frau Schimmelpfennig gar keinen Hals hatte. Ihr runder Kopf mit den glatten, mittellangen dünnen hellgrauen Haaren schien direkt auf diesem Fleischberg zu liegen, der hinter dem Schreibtisch positioniert worden war. Ob sie da allein hingelangte oder hatte die Agentur billige Freigänger aus dem benachbarten Gefängnis  zu dem Sozialdienst verpflichtet, jeden Morgen diesen Fleischberg mit den kurzen Armen in Position zu bringen, auf das er auf die Hilfesuchenden losgelassen werden konnte?  Wer weiß, vermutlich. Doch ich ließ mich von dieser im Geiste geschaffenen Realität nicht ablenken und konterte erneut in Richtung dieses Klopses, dass ich doch nicht zu viel verlange, außer eben wieder in Lohn und Brot geschickt
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