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Raumzeit - Provokation der Schoepfung

Raumzeit - Provokation der Schoepfung

Titel: Raumzeit - Provokation der Schoepfung
Autoren: Johannes von Buttlar
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abgetötet werden? Ja, Kopernikus hat dem bis dahin sauber und bequem geordneten kosmischen Weltbild, mit der Erde und dem Papsttum im Zentrum und der starren, feudalen Ordnung mit den Leibeigenen auf der untersten Stufe und dem kirchlichen Oberhaupt an der Spitze, einen heftigen Stoß versetzt.
    Soll ich einfach Beobachtungen und Berechnungen von Nikolaus Kopernikus, Tycho Brahe und Johannes Kepler ignorieren, dass es sich bei der Erde nicht um eine Scheibe im Mittelpunkt des Universums handelt, sondern nur um einen von mehreren Planeten, die um die Sonne kreisen?«
    Es sind anscheinend für die Kirche gefährliche Schlussfolgerungen, denn hier wird ja der Glaube an die Unfehlbarkeit der Kirche auf dem Gebiet der Kosmologie in Frage gestellt, und damit wird ihre gesellschaftliche Stellung ebenfalls angezweifelt. Bruno krümmt sich zusammen. Wieder durchzieht ihn eine brennende Schmerzwelle.
    »Filippo«, hört er die Stimme seines Vaters. »Sei frei in deinem Urteil und im Denken. Benutze deinen Kopf, suche nach Wahrheit.«
    »Ich halluziniere wieder, aber Papa Giovanni hatte gut reden. Er war Soldat und hat sich wohl meinen Lebensweg anders vorgestellt. Ich habe die Dreistigkeit besessen und mir erlaubt, frei, vernünftig und laut zu denken, denn für mich darf Gottgegebenheit nicht der Verzicht auf den Vernunftgebrauch bedeuten.
    Dennoch habe ich während meiner Kerkerhaft in Venedig und hier wider besseren Wissens zum Teil widerrufen. Aber das wollten die gar nicht. Jeder absurde Vorwand und jede unsinnige Unterstellung soll dazu dienen, mich zu verurteilen. Von Anfang an sollte ich der Kirchenmacht als abschreckendes Exempel dienen.« Ein Frösteln lässt Giordano Bruno erschauern. »Es gibt einfach fundamentale Überzeugungen, für die ich lieber sterbe, als durch totalen Widerruf unehrenhaft weiterzuleben. Gott ist für mich keine Intelligenz außerhalb der Welt, die diese im Kreise dreht und leitet. Ist es nicht wesentlich würdiger für ihn, das innewohnende Gesetz der Bewegung zu bilden, als Natur aus sich heraus, von eigener Art, eine Seele für sich, an der alles teilhat? Für mich, und dabei bleibe ich, ist die Welt – das Universum – ewig und unendlich. Was soll dieser Mythos von einem persönlichen Gott, der die Welt aus dem Nichts erschaffen hat? Das Universum muss unendlich sein, mit einem unendlichen Raum, durchdrungen von unendlicher, körperlicher Substanz, eine lebendige, kosmische Einheit, die die Wechselwirkung des Verschiedenen enthält und damit unzählige Sonnen und unzählige Welten, ebenso bewohnt und belebt wie unsere Erde.
    Zwischen den Welten ist Raum, der nicht leer sein kann, denn leerer Raum kann nicht existieren. Alles stammt aus der Natur, von der göttlichen Einheit, von Materie und Dunkelheit. Und in allem wohnt Gott. Deshalb kann Jesus auch nicht Gottes Sohn sein. Es existieren einfach keine Grenzen zwischen Objekt und Subjekt, zwischen Mensch und Welt.
    Das, was wir als Realität bezeichnen, entspringt der Vorstellung.«
    »Ich bin gescheitert. Was bleibt?«, denkt Giordano Bruno und steht mühsam auf. Der Morgen graut.
    »Durch ganz Europa bin ich gereist auf der Suche nach Information und um meine Ideen mitzuteilen. Genf, Toulouse, Paris, London, Oxford, Frankfurt, Wittenberg, Prag und dann Venedig, wo dieses falsche Schwein, Giovanni Mocenigo, mich denunziert hat. Und trotzdem«, er wirft den Kopf zurück, »man muss die Welt befragen, wenn man wissen will, wie sie und der Mensch sich verhalten. Man muss in das eigene Innere schauen, denn die Gesetze, die im Universum herrschen, herrschen auch im Menschen.«
    Als sich der Schlüssel mit einem metallischen Geräusch im Schloss seiner schweren Gefängnistür dreht und sie sich mit einem knarzenden Geräusch öffnet, schreckt Giordano Bruno aus seinen Gedanken auf. Zwei stämmige Wärter holen ihn ab. Am 20. Januar 1600 gab die Inquisition ihr Urteil bekannt: »Hierdurch, in diesen Dokumenten … verkünden wir das Urteil und erklären, dass der zuvor genannte Bruder Giordano Bruno ein unbußfertiger und hartnäckiger Ketzer ist und deshalb alle kirchlichen Tadel und Strafen des Heiligen Kanons auf sich geladen hat… Wir verfügen und befehlen deshalb, dass Du dem weltlichen Gericht ausgeliefert wirst… damit Du die Strafe erhältst, die Du verdienst, obwohl wir inbrünstig beten, dass er (der römische Statthalter) die Strenge des Gesetzes in Bezug auf Deine Strafen mildern möge, damit Du nicht getötet wirst oder Deine
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