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Raumfahrergarn

Raumfahrergarn

Titel: Raumfahrergarn
Autoren: Anne McCaffrey , Jody Lynn Nye
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rief die Stimme des Captains. »Wir bekommen die Triebwerke nicht an. Alle raus hier!«
    Als das Signalhorn tönte, versuchte Lunzie sich auf ihre mentale Disziplin zu besinnen. Sie schärfte sich ein, daß sie ruhig bleiben und sich an alles erinnern mußte, was sie für Alarmstufe Rot gelernt hatte. Die Checkliste lief an ihrem geistigen Auge vorbei wie über einen Computerbildschirm. Vergewissere dich, daß alle Verletzten und alle, die zu jung sind, um für sich selbst zu sorgen, in Sicherheit sind, dann rette dich selbst – aber vor allem: verschwende keine Zeit! Lunzie hielt gerade lang genug inne, um Fionas Hologramm vom Schreibtisch zu greifen und in eine Tasche zu stecken, bevor sie in den Korridor hinausstürzte und auf die Fluchtkapsel für ihr Deck zulief.
    Das Mannschaftsdeck war ein gebogener Bereich von einem Deck Höhe hoch über dem Äquator des kugelförmigen Frachters. Wenn das Schiff Fracht transportierte, konnten achtzig Besatzungsmitglieder in den zwanzig kleinen Schlafkabinen untergebracht werden, von denen je zehn auf beiden Seiten der Gemeinschaftsräume lagen. Im Korridor führten in regelmäßigen Abständen runde Luken in festverankerte Fluchtkapseln. Lunzies Büro befand sich am äußersten linken Ende des Mannschaftsdecks.
    Ein Ruck durchfuhr das Schiff. Es war noch einmal getroffen worden, diesmal von einem größeren Bruchstück. Mit einem lauten Rauschen brachten Sauerstoffgebläse und Kompressoren wegen eines Risses im Rumpf die Luft in Bewegung. Schotts knallten zu. Alle Lichter im Korridor gingen aus, und an einer Wand blinkten hellrote LEDs um die Luke der Fluchtkapsel, die sich zu einem grellen Lichtspalt öffnete, als Lunzie darauf zulief.
    Sie verharrte an der Luke und blickte durch den langen Korridor zum Zentrum des Mannschaftsdecks, um zu sehen, ob jemand ihr an Bord dieser Kapsel folgen wollte. Ihr Herz pochte vor Angst und Ungeduld. Die Irisluke der Kapsel schloß sich automatisch und löste den Start aus, wenn nach dreißig Sekunden niemand mehr in die Kapsel stieg, also zwang sich Lunzie, zu warten. Sie wollte sichergehen, daß sich niemand in diesem Bereich aufhielt, den sie zurücklassen würde, wenn sie in dieser Kapsel allein startete.
    Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch den Korridor, dann ein Donnern wie ein Gewitter. Ein Felsbrocken von der Größe ihres Kopfes durchschlug dreißig Meter weiter das Schott und schnitt Lunzie vom Rest der Mannschaft ab. Lunzie duckte sich unter die Splitter weg und packte mit beiden Händen den Rand der Luke, als das Vakuum die Schiffsatmosphäre durch den Riß in der Hülle hinaussaugte. Mit aufeinandergebissenen Zähnen klammerte sie sich an die Metallkante und sah Möbel, Kleidung, Kaffeetassen und Atmosphärenanzüge auf den Riß zufliegen. Die Temperatur sank unter den Gefrierpunkt, und binnen Sekunden schlug sich Reif auf Lunzies Ringe und Manschetten und auf ihre Augenbrauen, Wangen und Lippen nieder. Ihre Hände wurden taub vor Kälte. Lunzie hatte keine Ahnung, wie lang sie sich noch halten konnte, bis auch sie durch dieses Loch in den Weltraum hinausgesaugt wurde. Sie würde sterben, daran hatte sie keinen Zweifel. Doch dann geschah ein Wunder.
    Sie hörte ein lautes Reißen, und ihr Stuhl und Schreibtisch flogen aus der Bürotür, prallten kurz hintereinander von der gegenüberliegenden Wand ab und klirrten auf den Riß in der Hülle. Die Büromöbel ließen die orkanartigen Winde für einen Moment abflauen. Lunzie ergriff die Gelegenheit, sich selbst zu retten. Sie tauchte mit dem Kopf voran durch die Luke, kauerte sich zusammen und landete unverletzt zwischen den Reihen von Dämpfungssitzen. Sie rappelte sich auf, schlug mit der Faust auf die manuelle Steuerung neben der Tür und kroch zum Steuerpult. Sie machte sich nicht die Mühe, sich erst anzuschnallen, ehe die Kapsel in den Weltraum hinausjagte.
    Die Kapsel schoß aus der Flanke der Nellie Mine hervor. Lunzie wurde in der winzigen Kabine umhergewirbelt. Sie bekam die Handschlaufen zu fassen, zog sich in den Pilotensitz und schnallte sich an.
    Der massige Rumpf des Frachtschiffs sah vor dem Hintergrund der Sterne wie ein weiterer Asteroid aus. Auf dem kurzen Streifen der Mannschaftsunterkünfte, der einen 60°-Abschnitt der Schiffsmitte umspannte, blitzten Lichtfunken auf, als der Rest der Mannschaft in Kapseln wie ihrer evakuiert wurde. Sie bedauerte, daß niemand Gelegenheit gehabt hatte, sich zu ihr in die Fluchtkapsel zu retten, um ihr Gesellschaft zu
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