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Raue See

Raue See

Titel: Raue See
Autoren: Ralph Westerhoff
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Bruder war schon 1974 bei einem Betriebsunfall ums Leben gekommen, als Wiebke noch ein kleines Mädchen gewesen war.
    Günter nickte und folgte Randolph in die Datscha. Wiebkes Onkel holte zwei Gläser und eine Flasche Wodka, goss ein und prostete Günter zu. »Dann mal los! Wo brennt’s denn?«
    Günters Beichte war unverhohlen. Er versuchte nichts zu beschönigen, ließ nichts weg, dichtete nichts hinzu. Der alte Mann, der jedem, der ihn als solchen bezeichnete, eine Tracht Prügel androhte, hörte aufmerksam zu.
    »Schöne Scheiße, in die du dich da geritten hast«, sagte er, als Günter fertig war. »Klar, dass du erst mal bei mir wohnst«, fügte er hinzu, ohne dass Günter diese Bitte aussprechen musste. »Und dann sehen wir weiter.«
    »Danke«, antwortete Günter. Randolph reagierte mit einer abwehrenden Handbewegung. Mehr musste nicht gesagt werden.
    Die nächsten drei Stunden waren die Männer damit beschäftigt, die Sachen, die Wiebke eingepackt hatte, wieder auszupacken. Günter hatte eine neue Bleibe gefunden. Wenigstens etwas.

VIER
    »Was haben Sie rausbekommen, Dr.   Streicher?«, fragte Eberhard Zielkow, als er am Mittwoch den Besprechungsraum betrat. »War es nun ein schlechter Scherz?«
    »Leider nein. Das, was da gefilmt wurde, ist echt. Irrtum ausgeschlossen. Mein Kollege beim LKA ist sich zu hundert Prozent sicher: Die Frau wurde wirklich gequält und umgebracht.«
    Zielkow setzte sich mit einem Seufzen. »So ein Mist. Also gut, was können Sie uns noch sagen? Die Untersuchung des Filmmaterials hat ja lange genug gedauert.« Eine ganze Woche hatte sich nichts getan, und das hatte ihm täglich mehr Sorgen bereitet.
    »Bei der Frau handelt es sich um eine Dreißig- bis Vierzigjährige. Aufgrund von Hautfarbe und Körperbau tippe ich auf Mitteleuropäerin. Der Mann ist um die vierzig. Mutmaßlich ebenfalls Europäer, ist aber nicht sicher. Mehr konnten wir dem Film nicht entlocken. Ich schätze, dass das so beabsichtigt war.«
    »Herr Franck«, sagte Zielkow und wandte sich an seinen jungen Untergebenen. »Hat die Spurenanalyse der Sendung etwas ergeben?«
    Carsten Franck schüttelte den Kopf. »Negativ. Auf dem Umschlag waren zwar diverse Fingerabdrücke. Aber sie sind nicht registriert. Außerdem wurde der Umschlag hier in der Dienststelle abgegeben. So haben ihn mindestens der Kollege an der Pforte, die Leute von der Poststelle und ich ohne Handschuhe angefasst. Auf dem Zettel selbst sind Fingerabdrücke von drei unterschiedlichen Personen. Es liegt ziemlich nahe, dass dies meine und die von Ihnen beiden sind.«
    »Sehe ich genauso«, sagte Zielkow. »Trotzdem checken Sie das und nehmen Abdrücke von mir, dem Kollegen an der Pforte und von Herrn Dr.   Streicher. Sie sind doch einverstanden, Herr Dr.   Streicher?«
    Streicher nickte.
    »Warum bringt jemand eine Frau um und schickt die DVD an Kollegin Sollich?«, fragte sich Zielkow laut.
    »Menn«, korrigierte Streicher. »Sie heißt seit ihrer Hochzeit mit dem Oberstaatsanwalt Menn.«
    »Natürlich.«
    »Vielleicht ist es ein gar nicht selbst erstellter Snuff-Film, den der Absender für irgendwas Krankes benutzen will«, mutmaßte Franck.
    »Snuff-Film?«, fragte Zielkow.
    »Snuff-Filme zeigen reale Morde, die zur Unterhaltung des Publikums begangen und illegal verbreitet werden. Reale Morde, an denen sich der Zuschauer ergötzt«, erläuterte Franck. »Im Gegensatz zu Filmen über aus ganz anderen Motiven heraus begangene Morde, wie zum Beispiel …«
    »Genug!«, unterbrach ihn Zielkow. Er fürchtete, irgendwie zu alt für diesen Beruf geworden zu sein. Oder zu weich. Oder vielleicht beides. »Selbst wenn es sich um so einen widerlichen Snuff-Film handeln sollte, wäre es ein Mord, von dem wir nun Kenntnis haben und den wir aufklären müssen. Wir und nicht Kollegin Menn. Ich denke aber, dass wir uns Hilfe holen sollten.«
    »Hätten Sie eine Idee?«, fragte Carsten Franck, der sehr dankbar zu sein schien, dass sein Chef ihm nicht allein diesen Fall übertrug.
    Zielkow nickte. »Ich muss die Sache aber vorher mit dem Innenminister abklären. Der Kollege ist nämlich beim LKA in Kiel und müsste abgestellt werden.« Er stand auf, nahm sich die Akte und verabschiedete sich mit den Worten: »Aber wenn ich dem Minister das hier gezeigt habe, werde ich schon kriegen, was ich brauche.«
    * * *
    »Wie meinen S’ das«, fragte der Polizist mit bayerischer Sprachfärbung. »Ihre Kollegin ist verschwunden?«
    »Na so, wie ich es gesagt habe«,
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