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Ratgeber Aggressives Verhalten

Ratgeber Aggressives Verhalten

Titel: Ratgeber Aggressives Verhalten
Autoren: Doepfner und Schmidt Petermann
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Erpresserspiele in Familien. Hierunter versteht man ungünstige Interaktionen zwischen Eltern und Kind, die als Teufelskreis beschrieben werden können. Ein solcher Teufelskreis führt – meist unbeabsichtigt – zu immer massiveren Formen der wechselseitigen Provokation und erpresserischem Verhalten zwischen Kind und Erwachsenen. Treten solche Teufelskreise gehäuft in familiären Interaktionen auf, dann ist es auch sehr wahrscheinlich, dassdiese mit anderen Bezugspersonen des Kindes im Kindergarten oder in der Schule beobachtbar sind.
    Diese Teufelskreise wurden von einem der bekanntesten amerikanischen Klinischen Kinderpsychologen, Prof. Gerald Patterson aus Oregon (USA), untersucht. Die Arbeitsgruppe von Prof. Patterson klärte genauer, auf welchen Wegen aggressives Verhalten in Familien eskaliert. Sehr ungünstige Entwicklungen treten dann auf, wenn es den Kindern gelingt, ihre Eltern durch Erpressungsversuche zu manipulieren (vgl. Abb. 1 ). Viele Kinder erlernen ihr negatives Verhalten schon sehr früh im Kontext einer negativen Eltern-Kind-Interaktion.

    Abbildung 1:
Teufelskreis aggressiven Verhaltens in Familien (aus Petermann & Petermann, 2000, S. 60)
    Abbildung 1 illustriert eine ungünstige Mutter-Kind-Interaktion. In diesem Fall wird die gestresste Mutter mit sechs, sich nacheinander entwickelnden Anforderungen des Kindes konfrontiert. Aus dem alltäglichen und berechtigten Wunsch des Kindes, das neue Spielzeug vorzuführen, startet eine Erpresserspirale, die (zunächst) mit der Drohung des Kindes endet „Dann lauf‘ ich halt weg!“.
    Die Erpresserspiele verdeutlichen, dass es schon sehr früh zu Interaktionsabläufen und dann kaum mehr regulierbar zu einer „Interaktionsblockade“ kommt, die den Blick für positive Problemlösungen völlig verstellt. Spätestens die Äußerung der Mutter (vgl. jeweils die Reaktion im rechten Teil der Abb. 1 ) „… du bist doch kein Baby mehr“ leitet eine massivere, sehr persönliche Konfrontation zwischen Mutter und Kind ein. Es ist naheliegend, dass man im Alltag möglichst frühzeitig eine solche Eskalationsspirale unterbrechen muss. Dies ist besonders schwierig, da die ungünstigen Verhaltensgewohnheiten in der Familie gut „eingeübt“ sind und oft die einzige Form des Umgangs mit Konflikten darstellen.
    Wir wissen heute sehr genau, in welchen Familien die beschriebenen Teufelskreise besonders häufig auftreten. Diese Familien weisen – zumindest auf die USA bezogen – folgende soziale Merkmale auf:
    – Arbeitslosigkeit und Armut,
    – berufliche Überforderung,
    – Alkohol- oder Drogenmissbrauch,
    – Ehekonflikte oder Ehescheidungen und
    – psychische Störungen der Eltern oder eines Elternteils (z.B. Depression der Mutter).
    Diese schwierigen Lebensumstände bewirken, dass Eltern den Verhaltensproblemen ihrer Kinder nicht mit Ruhe und Gelassenheit sowie Toleranz begegnen, sondern statt dessen schneller mit Verboten und übermäßigen Strafen reagieren. Dies verschärft sich dann noch, wenn Kritik und Streit mit der Nachbarschaft, Druck aus der Schule oder Kontakte mit dem Jugendamt und der Polizei hinzukommen. Die ungünstigen sozialen Einflüsse, wie ärmliche Lebensverhältnisse, wirken sich schon im Säuglingsalter ungünstig aus. So können alltägliche Routinen, wie die Pflege, die Ernährung und der Schlaf-Wach-Rhythmus des Kindes, gestört sein. Die Wahl des kindlichen Schlafplatzes kann vollkommen ungeeignet sein. Die Säuglinge wachsen manchmal in Wohnungen mit zu vielen Personen auf und werden von ihren älteren Geschwistern, Großeltern oder zufällig in der Wohnung anwesenden Personen betreut. Häufig ist die elterliche Aufmerksamkeitund emotionale Zuwendung gegenüber dem Säugling durch die äußere Belastung eingeschränkt.

9 Was kann man tun?
    Eine wichtige Grundregel bei der Auswahl von Hilfen für aggressive Kinder und Jugendliche ist, dass die Hilfe da einsetzen soll, wo die Probleme auftreten: beim Kind/Jugendlichen, der Familie, im Kindergarten oder in der Schule. Da es sich beim aggressiven Verhalten um ein äußerst stabiles und schwer änderbares Verhalten handelt, sollte man immer auf mehreren Ebenen eine Änderung herbeiführen. In den weiteren Kapiteln soll zwischen der Arbeit mit Bezugspersonen (Eltern/Erzieherin/Lehrer), dem Kind/Jugendlichen im Sinne der „Selbsthilfe“ und der psychotherapeutischen Hilfe unterschieden werden. Desweiteren wird knapp auf die Möglichkeiten der Jugendhilfe, also eine in der Regel
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