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Rashminder Nächte (German Edition)

Rashminder Nächte (German Edition)

Titel: Rashminder Nächte (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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der anderen Seite des Schlafraumes schnarchte Kaiden friedlich vor sich hin. Auch das anhaltende, zunehmend ungeduldiger werdende Pochen störte ihn nicht. Da behauptete man immer, Magier hätten solch sensible Sinne! Kaiden ließ sich grundsätzlich von nichts stören, wenn er es mal schaffte zu schlafen – was selten war, Eryk kannte keinen zweiten Menschen, der mit so wenig Schlaf funktionieren konnte. Sein Partner wurde von nichts aufgerüttelt, das leiser und behutsamer als eine Feuersbrunst oder Schlammlawine war. Manchmal nicht einmal davon, wie Eryk sich mit einem schmerzlichen Grinsen erinnerte. Das eine Mal, als er es gerade noch geschafft hatte, mit Kaiden über der Schulter einer Schlammlawine zu entkommen war unvergesslich. Kaidens Gesicht, der erst erwachte, als Eryk ihn in Sicherheit gebracht und mit einigen beherzten Ohrfeigen zu den Lebenden zurückgeholt hatte, würde er auch nie mehr vergessen.
    Eryk warf sich rasch eine Decke über, da er nichts anderes auf die Schnelle finden konnte, um seinem Besucher nicht im Schlafhemd begegnen zu müssen. Mit drei Schritten durchquerte er die Wohn-, Ess-, Koch- und Arbeitsstube, den einzigen weiteren Raum dieses winzigen Häuschens, das Kaiden und ihm gemeinsam gehörte.
    „Wer ist da?“, rief er durch die Tür.
    „Ich brauche Hilfe!“
    Der Stimme nach ein Mann, den Eryk nicht kannte, aber verzweifelt genug klang; also öffnete er den Riegel und ließ den neuen Kunden ein. Er war mittleren Alters, durchweicht vom herbstlichen Nieselregeln, ärmlich gekleidet. Seine bullige Gestalt verriet, dass er ein Handwerker oder Bauer sein musste, jemand, der zum Arbeiten geboren war.
    „Bin ich hier richtig?“, fragte der Fremde misstrauisch, als er Eryk im Schein der Öllampe kurz gemustert hatte.
    „Falls Ihr Dienste benötigt, um einen verlorenen Gegenstand zu finden, einen Diebstahl oder ein Verbrechen zu klären, dann seid Ihr richtig, werter Herr“, brummte Eryk mit all der Höflichkeit, die er schlaftrunken zusammenkratzen konnte. Er sprach jeden Kunden an, als wäre er mindestens ein Edelmann, selbst wenn man ihn auf dem ersten Blick als Bettler erkannte. Manchmal verkleideten Adlige sich absurd, um nicht erkannt zu werden, wurden aber wütend, wenn man sie ihrer Tarnung entsprechend empfing.
    An das Misstrauen war Eryk gewöhnt. Auf dem ersten Blick reagierten beinahe alle Kunden skeptisch, vor allem, wenn sie zuerst Kaiden begegneten. Sein Partner sah jünger aus als die sechsundzwanzig Jahre, die er tatsächlich zählte, und das hübsche Sommersprossengesicht vertrug sich nicht mit seiner Reputation als geschickter Magier. Auch Eryk glaubte man seine fünfundzwanzig Lenze nur zögerlich. Nicht zum ersten Mal dachte er darüber sich, sich einen Bart wachsen zu lassen, um älter und, ja, männlicher zu wirken. Was sinnlos war, seine blonden Stoppeln weigerten sich, ihm anständig Wangen und Kinn zu bedecken, ohne wie ein mottenzerfressener Flickenteppich auszusehen. Zum Ausgleich trug er die Haare sehr kurz geschnitten, um wenigstens ein bisschen Härte vorzeigen zu können – er neigte zu ebensolchen Locken wie Kaiden. Als Kind war er mehr als einmal für ein Mädchen gehalten worden, was in mehrfacher Hinsicht ein Problem war, wenn man auf der Straße aufwuchs.
    Er bemerkte den leicht verstörten Blick seines Besuchers und legte rasch das Schwert beiseite, ohne sich zu entschuldigen. Wer zu solch später – oder früher? Stunde kam, musste mit so etwas rechnen.
    „Mein Herr?“, fragte er ungeduldig. Der Mann zuckte zusammen und ließ sich dann auf den nächsten erreichbaren Stuhl fallen.
    „Ich brauche Hilfe“, sagte er und starrte Eryk verloren an. „Mein Name ist Holgo, und … und …“
    Schweigend goss Eryk etwas Weinbrand in einen Becher, der noch vom letzten Abend hier stand. Es war ihm gleichgültig, dass der Becher benutzt war, Holgo kümmerte es genauso wenig, sollte er es überhaupt bemerkt haben. Mit zitternden Händen hielt er sich an dem hölzernen Trinkgefäß fest, als wäre es eine Rettungsleine, und trank den starken Schnaps mit einem Schluck. Danach entspannte er sich tatsächlich ein wenig.
    „Was ist passiert?“, erkundigte Eryk sich betont einfühlsam. Es musste etwas Ernstes geschehen sein, ein Mann, der mit harter Arbeit sein Brot verdiente, geriet nicht wegen einer entlaufenen Katze oder eines gestohlenen Schmuckstücks so außer sich.
    „Mein Sohn … mein Sohn wurde entführt. Er heißt Fillip, ist siebzehn …
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