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Rappen lernen

Rappen lernen

Titel: Rappen lernen
Autoren: Mark Greif
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explosionsartige Anstieg der Morde gestoppt und umgekehrt wurde und die Plagen der Armut und der Drogenabhängigkeit (in Form von Crystal Meth) auch die weiße Unterschicht erreicht haben.
    Vor 1988, also bevor er in seine reife, welthistorische Phase eintrat, ging es in Hip-Hop-Songs nicht auffallend häufig darum, Menschen zu erschießen. Zwar kommen in den Texten durchaus Pistolen vor, und die MC s sprechen davon, dass sie zurückschießen würden, wenn man sie angriffe, aber solche Details ließen sich kaum vermeiden in einer Musik, die aus armen Vierteln hervorgegangen war, in denen Raubüberfälle zum Alltag gehörten. Also 30 trug man selbst auch eine Waffe. Bei Public Enemy lagen die Dinge noch einmal anders: Die Gruppe erwähnte Schusswaffen im Kontext des revolutionären Selbstbewusstseins in der Tradition der Black Panthers, die sich ebenfalls Gewehre besorgt hatten.
    Ab 1988 geht es dann allerdings darum, in Gangstermanier damit zu prahlen, wie viele Menschen man auf dem Gewissen hat, und einige der künstlerisch bedeutendsten Stücke handeln von Fantasien, in denen Rivalen erschossen werden. Nicht aus politischen Gründen oder aus Notwehr, sondern weil es eben Teil des Geschäfts ist. Der Mythos, wonach die Rapper selbst Gangster, Mörder und große Nummern im Drogengeschäft waren, wurde durch Figuren wie Dr. Dre, Ice Cube und Snoop Dog in Los Angeles aufrechterhalten und ließ auch in der Zeit nach den berühmtesten und tragischsten Morden nicht nach, die sich damals in der Welt des Hip-Hop ganz real ereigneten: Im September 1996 wurde der ursprünglich aus San Francisco stammende Tupac Shakur in Las Vegas in seinem Wagen erschossen, als er gerade auf dem Heimweg von einem Kampf Mike Tysons war; der New Yorker Rapper Notorious B.I.G. wurde dann ein halbes Jahr später, im März 1997, nach der Verleihung der Soul Train Music Awards in Los Angeles von einem Unbekannten mit mehreren Schüssen getötet, ebenfalls in seinem Geländewagen. Der Mythos geriet nicht ins Wanken, die Figur des Gangsters war nun umso fester verankert, als Tupac und Biggie in den Pantheon der Popkultur aufstiegen. Vor allem MTV schwelgte so lange lustvoll in ihren Geschichten, bis man nicht mehr umhin konnte zu glauben, dass die weißen Musikmedien ihre schwarzen Rapper dann besonders gern hatten, wenn sie erschossen worden waren.
    31 Als Weißer Lieder zu singen, bei denen es sich – vermutlich – um realistische Beschreibungen des Lebens in den schwarzen Gettos handelte, hatte etwas unglaublich Gefühlloses an sich. Es verriet eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Bildern, die in den Nachrichten gesendet wurden, Bilder von weinenden Müttern und wütenden Predigern, die von den Reichen, von der Regierung, der Wirtschaft, dem Justizsystem und den Wohltätigkeitsorganisationen allein gelassen wurden. Wenn man in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern in irgendeiner amerikanischen Stadt die Spätnachrichten anschaltete, waren in den Beiträgen über die Viertel der Schwarzen hauptsächlich schluchzende Menschen zu sehen. Sie weinten, weil ihre Söhne, Töchter, Brüder, Männer oder besten Freunde gezielt getötet oder von Querschlägern getroffen worden waren.
    Die Anzahl der Morde in amerikanischen Städten war in diesen Jahren höher als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt im 20. Jahrhundert, die Ursachen sind bis heute nicht endgültig geklärt, die meisten Opfer gab es unter Schwarzen und Latinos. 1995 gingen sie dann plötzlich massiv zurück, seither sinkt ihre Zahl weiter. Auch in New York gab es 1988 mehr Morde als jemals zuvor in der Geschichte der Stadt. Totschlag wurde zur häufigsten Todesursache für Afroamerikaner zwischen zwanzig und dreißig, vor Herzinfarkten und Autounfällen. Ihren Scheitelpunkt erreichte die Welle der Morde 1991. In diesem Jahr ereignete sich jeder zwölfte Mord im Land in New York, der Stadt, in der der Hip-Hop erfunden worden war und aus der nach wie vor die meisten Acts und Produktionsfirmen stammten. Das andere Epizentrum dieser Musik lag in den schwarzen Gettos von Los Ange 32 les, Gegenden, die das Mainstream-Amerika nur aus der Hubschrauber-Perspektive zu betrachten wagte – im Rahmen der Berichterstattung über die Ausschreitungen im Jahr 1992.
    »Don’t ever question if I got the heart to shoot you / The answer is simply too dark for the user.« – »Cock the hammer, it’s time for ac-tion.« – »Shoot point blank, a motherfucker’s sure to die.« – »Beef is when
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