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Rappen lernen

Rappen lernen

Titel: Rappen lernen
Autoren: Mark Greif
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Jahre später, angeblich immer eine MAC -10-Maschinenpistole und eine schusssichere Weste dabei hat, die er in seinem alten Schulrucksack mit sich herumschleppt.
    Als ich diesen Song lernte, wurde mir plötzlich ein weiterer Grund klar, warum ich mich nicht bereits früher diesen Klassikern eines Genres zugewandt hatte, das auf dem besten Weg ist, zum langlebigsten in der Musikgeschichte zu werden. In der Zeit, in der ich noch ein treuer Anhänger des Postpunk war, einer Stilrichtung, die mir zwar viel bedeutete, die sich jedoch als historische Sackgasse erweisen sollte, brachte ich solche Texte einfach nicht über die Lippen. Nun ging es plötzlich, und es war ein merkwür 24 diges Gefühl, als junger Mann durch die Straßen zu laufen, ohne Angst zu haben. Es fühlte sich komisch an, unbekümmert über Sachen zu rappen, die mich zwanzig Jahre zuvor irgendwie behindert hatten.

    Zunächst war da einmal das Problem mit dem Wort »Nigger«, das schon immer eine sonderbar starke Wirkung auf weiße Hörer hatte, wobei ich glaube, dass das beabsichtigt war. Ähnlich wie andere formale Entwicklungen im Hip-Hop kann es als eine clevere kollektive Strategie gelten, um einer Übernahme des Genres durch die Weißen vorzubeugen.
    Wir alle wissen, und in Hip-Hop-Songs wird oft genug darauf hingewiesen, dass Blues, Jazz und Rock ’n’ Roll von weißen Musikern kolonisiert wurden, weil die Plattenindustrie auch ein weißes Publikum erschließen wollte. Eric Clapton, Paul Whiteman und Elvis Presley sind nur die berühmtesten unter Hunderten ähnlich fragwürdiger Figuren, die mehr Geld verdienten und mehr Ruhm ernteten als die Schwarzen, die diese Stilrichtungen erfunden hatten. »Nigger« gehört nun wiederum zu den wenigen Wörtern, die für zeitgenössische Weiße nach wie vor absolut unaussprechlich sind. Es ist schlicht und ergreifend das Wort, das Weiße einfach nicht gebrauchen. Das geht so weit, dass Weiße aus der Generation der Bürgerrechtsbewegung, die mittlerweile um die sechzig oder siebzig sind, das Wort buchstäblich nicht über die Lippen bringen. Sie sprechen vom »N-Wort«, und selbst wenn sie es nur zitieren sollen, würden sie es lieber mit Kreide an die Tafel schreiben. Sie werden rot, fangen an zu stottern, räuspern sich oder machen ein bedeutungsschwangeres 25 Gesicht. In gewisser Weise kann man dies durchaus als Sieg des Antirassismus verbuchen. Das Ende des Rassismus selbst war und ist allerdings eine Fiktion der Weißen. Weiße Menschen in einflussreichen Positionen können zwar nach wie vor damit leben, dass Schwarze verfolgt, dämonisiert, von der Polizei tyrannisiert oder einfach im Stich gelassen werden, aber sie würden sich lieber die Zunge abbeißen, als dieses Wort zu sagen. Selbstverständlich sind sie dazu in der Lage. Aber sie sind so sensibel, sie können es einfach nicht. Niemals!
    Wenn ich mich nicht verhört habe, wird die Stimme des Comedians Richard Pryor auch heute noch häufig in Songs zitiert oder gesampelt, die in der mittlerweile auch schon ziemlich alten Tradition von Stücken stehen, in denen über die Bedeutung und den Gebrauch des Wortes »Nigger« nachgedacht wird. Er brachte 1976 ein enorm erfolgreiches Album mit Stand-up-Comedy heraus, dem er den Titel Bicentennial Nigger gab, und ist bis heute dafür berühmt, dass er das Wort in den Siebzigern wieder auf der Bühne verwendete, was damals eine kontroverse Debatte auslöste. In einem Pryor-Porträt, das der schwarze Autor Hilton Als Jahrzehnte später im New Yorker veröffentlichte, finden sich transkribierte Auszüge aus einem großartigen Fernsehgespräch zwischen Pryor und Barbara Walters, der liebenswürdigen Ikone des linksliberalen weißen TV -Establishments:

    »WALTERS: Wenn Sie auf der Bühne stehen, dann … Es ist nicht so einfach für mich, das zu sagen. Ich wollte eigentlich sagen, dass Sie dann über Nigger sprechen. Aber es geht nicht … Sie können das sagen, aber ich nicht.
    26 PRYOR: Sie haben es gerade gesagt.
    WALTERS: Ja, schon, aber ich fühle mich dabei so …
    PRYOR: Aber Sie haben es doch sehr gut gesagt!
    WALTERS: … unwohl.
    PRYOR: Ja, schon, gut. Sie haben es sehr gut gesagt.
    WALTERS: Okay.
    PRYOR: Es war sicher nicht das erste Mal, dass Sie das Wort gesagt haben. (Gelächter)«

    Im Hip-Hop ist der Begriff »Nigger« erst seit etwa 1988 allgegenwärtig. Man kann keinen halbwegs bedeutenden Song, der nach 1988 produziert wurde, vor sich hin rappen, ohne über das Wort zu stolpern, das Weiße
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