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RAK-1212 überfällig

RAK-1212 überfällig

Titel: RAK-1212 überfällig
Autoren: Alexej Turbojew
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gedehnt.
    „Sie sind Biomediziner, wie?“ fragte sie ruhig. „In Ordnung, das wissen wir längst aus den gefundenen Unterlagen. Ihre vor fast 110 Jahren erworbenen Kenntnisse müssen zwar recht dürftig sein, aber Sie sollten trotzdem etwas über die Regeneration des Zellkerns wissen. Meinen Sie etwa, wir hätten Sie mit einem atomaren Schneidbrenner aus Ihrem hundertjährigen Eisschlaf erwecken können?“
    „Wahrscheinlich nicht“, bestätigte er. „Ich kann mir kein Verfahren vorstellen, womit eine solche Erweckung möglich wäre.“
    Boronin begann unter den Blicken der beiden seltsamen Menschen zu frieren. Er ahnte etwas.
    „Wenn wir uns nicht zufällig auf der Venus befänden, wäre es auch nicht möglich gewesen. Ihre Körper waren so schnell tiefgefroren, daß sie keine Zersetzungserscheinungen zeigten. Beim Auftauen mußten wir sehr vorsichtig sein. Selbst dann wäre es endgültig aus gewesen, wenn wir Ihnen nicht die artenfremden Stoffverbindungen hätten geben können. Sie haben kein normales Gewebe mehr, Boronin! Die Bausteine Ihres neuen Körpers sind kristalliner Struktur, trotzdem natürlich lebens- und teilungsfähig. Sie können sich für einen Mann aus Stahl oder Diamant halten. Deshalb bat ich Sie, andere Leute nicht sofort anzufassen. Ihre Wiedererweckung verdanken Sie einem Regenerat-Verpflanzungsprozeß. Immerhin hat sich das fremde Gewebe gut an Sie angepaßt. Sie werden nach wie vor essen müssen, wahrscheinlich mehr als früher. Sie müssen auch atmen, nur dürfen Sie sich nicht wundern, wenn beispielsweise die Gewebe Ihrer Sehnen und Muskeln dem altbekannten Stahl gleichen. Kommen Sie nun.“
    „Sturm kommt auf“, sagte ein dritter Mann, der ebenfalls völlig lautlos aus den Büschen erschienen war. Er schaute prüfend in den wolkenverhangenen Himmel. Er sprach das Englische mit einem so seltsamen Akzent, daß Woronskij erneut an die Situation erinnert wurde.
    „Ich heiße übrigens Merly Beths“, erklärte sie. „Mein Vater kam schon als Arzt zur Venus. Ich habe ihm nachgeeifert, bin also ebenfalls Ärztin. Das zu Ihrer Information. Bleiben Sie genau hinter mir, sonst laufen Sie noch in die Strahlfallen.“
    „Strahlfallen?“ hauchte Boronin erstickt.
    Der dritte Mann grinste breit. Etwas gehässig meinte er:
    „Ihr werdet doch nicht glauben, daß wir während eures Tiefschlafes ebenfalls geschlafen haben. Das Leben ging weiter, und ich frage mich, wozu wir euch klägliche Überbleibsel aus einer fernen Vergangenheit überhaupt geweckt haben. Machen Sie ja keine Dummheiten!“
    „Halt den Mund, Bens“, fuhr das Mädchen auf. „Die Erweckung geht dich überhaupt nichts an. Weg mit der Pistole. Und Sie, Woronskij, seien Sie etwas vernünftiger. Unsere Leute sind daran gewöhnt, sehr schnell zu schießen.“
    „So?“
    „Ihre Ironie können Sie ruhig lassen“, sagte sie kühl. „Vielleicht hätten wir Sie wirklich nicht bergen sollen. Es war ziemlich gefährlich, das Wrack Ihrer alten Rakete genau zu orten und es in den Laderaum eines großen Schiffes zu ziehen. Hätten wir es nicht getan, flögen Sie heute noch um den Planeten herum.“
    „Irgendwo auf der Erde steht ein Denkmal von Ihnen“, grinste Bens. „Es ist errichtet worden, als man Sie endgültig aufgab. Toller Gedanke, was?“
    Stepan Alexandrowitsch Woronskij stand steif vor dem kleinen, breitschultrigen Mann. Ihre Blicke kreuzten sich.
    „Ich bitte darum, sofort zur russischen Botschaft auf der Venus gebracht zu werden“, sagte er kalt. „Es ist anzunehmen, daß wir hier einen politischen Stützpunkt besitzen, nachdem wir zuerst diesen Planeten betreten und wahrscheinlich auch teilweise erforscht haben.“
    Bens Morfeld ließ verblüfft die Pistole sinken.
    „Hä? Wie war das?“ staunte er.
    Er verstummte unter dem glühenden Blick der Frau. Schulterzuckend wandte er sich ab und musterte mißtrauisch das nahe Unterholz.
    „Wir werden Sie enttäuschen müssen, Kapitän“, fiel der ehemalige Dozent für menschliche Kulturgeschichte ein. „Es tut mir leid, aber auf der Venus gibt es keine Botschaft.“
    „Sind Sie verrückt, Professor?“ flüsterte Boronin blaß. „Die 110 Jahre können keine Weltgeschichte gemacht haben. Sie sind doch Menschen, auch wenn Sie nicht unsere Muttersprache sprechen.“
    „Das spielt auch seit vielen Jahrzehnten keine Rolle mehr“, behauptete Merly Beths. „Nachdem Sie gestartet waren, wurde tatsächlich keine umwälzende Weltgeschichte gemacht. Es kam weder zu einem
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