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Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer

Titel: Rain Wild Chronicles 02 - Drachenkämpfer
Autoren: Robin Hobb
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hinter dem Kahn herschritten, waren noch immer Schatten, aber sie schimmerten in ihren silbrig durchsetzten Farben. Teermann gab nun eindeutig die Richtung an. So gern Alise an Leftrins Seite geblieben wäre, zog sie sich auf das Dach des Deckshauses zurück, denn sie wusste, dass das Schiff die ungeteilte Aufmerksamkeit seines Kapitäns benötigte. Einige Hüter hatten sich vor der Kälte wieder in die Küche oder die Mannschaftsquartiere geflüchtet, doch Thymara saß im Schneidersitz auf dem Deckshaus und blickte vor sich hin, während Sylve schlotterte und besorgt zu Mercor hinüberstarrte. Die Drachen verständigten sich mit tiefem Grummeln und einem gelegentlichen Bellen.
    Langsam hob sich der Nebel vom Fluss. Und es war zweifellos ein Fluss. Trockene Blätter und abgebrochene Halme, die schnell dahingetrieben wurden, deuteten auf eine starke Strömung hin. Alise konnte mit ansehen, wie in einer Schilfwiese das Wasser höher und immer höher stieg, bis plötzlich die letzten Spitzen unter den Wellen verschwanden. Sie hörte wie Thymaras Atem neben ihr ging, zitternd vor Anspannung. Anscheinend hatten sich die Wolken über ihnen aufgelöst, denn auf einmal glänzte der Nebel im Sonnenlicht. Sechs Atemzüge lang bewegten sie sich durch eine Welt aus silbern schimmernden feinen Tropfen. Das Streulicht blendete Alise, und sie konnte die Drachen kaum noch erkennen.
    »Bäume!« Mercors Ruf schallte triumphal herüber. »Wendet euch nach links! Ich sehe Bäume.«
    Thymara starrte in den Nebel und versuchte angestrengt, ihn zu durchdringen. Ihr war kalt. Zwar hatte sie sich eine Decke über die Schultern geworfen, aber seit ihr die Flügel aus dem Rücken gekommen waren, fröstelte sie andauernd. Sie wickelte die Decke enger um sich, doch dabei wurde das eisige Gestell auf ihrem Rücken nur fester an ihren Leib gedrückt. Würde sie sich je daran gewöhnen können? Würde sie die Flügel irgendwann einmal als Teil ihrer selbst ansehen und nicht als etwas, was Sintara ihr aufgepfropft hatte?
    Auf Mercors Ruf hin stand sie auf. In stiller Sehnsucht starrte sie mit den anderen hinaus. Sie spürte, dass der Kahn den Kurs änderte, und mit Schrecken registrierte sie, wie ein seltsames Vibrieren durch das Schiff ging. Mit stockendem Herzen erkannte sie die Ursache: Teermanns Klauen verloren den Halt auf dem Grund des Flusses und rutschten ab. Der Kahn schwenkte herum, und Swarge brüllte: »Ich gebe mein Bestes, Käpt’n!«, bevor Leftrin ihn noch anbellen konnte. Dann war lautes Platschen zu hören und Vera streifte den Kahn, bei ihrem wild rudernden Versuch, in flacheres Gewässer zu gelangen. Teermann fand wieder Boden unter den Füßen und schoss so ruckartig nach vorn, dass sich Alise neben ihr hinsetzte. Die Frau aus Bingtown gab keinen Laut von sich, aber aus Angst, vom Dach des Deckshauses zu fallen, klammerte sie sich fest an Thymaras Arm und tat ihr dabei weh. Kurz darauf beruhigten sich die Bewegungen des Schiffes wieder.
    Der Nebel verging, als wäre er nie dagewesen. Um sie herum tauchte eine Landschaft auf, die so fremdartig war, dass Thymara erst glaubte, sie wären auf geheimnisvolle Weise in eine andere Welt gelangt. Zu ihrer Rechten eilte der schäumende Fluss dahin und riss mit sich, was noch vor einer Stunde Sumpf gewesen war. Der reißende Strom veranstaltete einen gehörigen und fröhlich klingenden Lärm. Zu ihrer Linken trennte sie nur noch wenig Wasser vom Land, da Teermann zügig auf das Ufer zuhielt. Auch die Drachen sputeten sich und bildeten auf ihrem Weg stromaufwärts wieder eine glitzernde Reihe.
    Doch es war das Ufer, was Thymaras Blick auf sich zog. Dort stieg das Land an. Nicht nur, dass Bäume aufragten – das Land stieg in Höhen an, wie sie es noch nie gesehen hatte. Von Hügeln und Bergen hatte sie bisher nur gehört und sich vorgestellt, wie sie wohl aussehen würden. Aber auf eine Landschaft zu blicken, die sich höher und höher türmte, war fast jenseits ihres Fassungsvermögens. »Trockenes Land!«, keuchte Alise neben ihr. »Heute Abend werden wir an Land lagern. Und ein Feuer machen! Und umhergehen, ohne durch Morast zu waten! Oh, Thymara, hast du jemals etwas so Schönes gesehen?«
    »Ich habe niemals etwas so Seltsames gesehen«, flüsterte Thymara voller Staunen.
    Ein schriller Schrei ließ alle auf dem Schiff zusammenschrecken. Thymara sah nach oben. In einer blauen Wolkenlücke spannten sich die scharlachroten Schwingen Heebys. Sie segelte herab und schoss auf sie zu.
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