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Rächende Geister

Rächende Geister

Titel: Rächende Geister
Autoren: Agatha Christie
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im Badezimmer mit dem heißen Wasser. Nach dem Bad möchte deine Mutter mit dir sprechen.«
    »Ach, meine Mutter? Ja, ja, natürlich…«
    Imhotep sah mit einem Mal leicht verwirrt aus. Er verbarg seine Unruhe, indem er rasch fortfuhr: »Natürlich, ich hatte ohnehin die Absicht… Richte Esa aus, dass ich kommen werde.«
     
    Esa, die ihr schönstes Linnengewand trug, blickte ihren Sohn mit geradezu sardonischer Belustigung an.
    »Willkommen, Imhotep. Du bist also heimgekehrt – und nicht allein, wie ich höre.«
    Imhotep versetzte würdevoll: »Oh, du hast es schon gehört?«
    »Natürlich. Das ganze Haus summt ja von der Neuigkeit. Das Mädchen ist schön, heißt es, und ganz jung.«
    »Sie ist neunzehn und sieht nicht übel aus.«
    Esa lachte – es war das spöttische Kichern einer alten Frau.
    »Nun ja, es gibt keinen größeren Narren als einen alten Narren.«
    »Meine liebe Mutter, ich verstehe nicht, was du meinst.«
    »Du warst von jeher ein Tor, Imhotep.«
    »Ist es etwa ungewöhnlich, wenn ein Mann ohne Frau sich ein Weib nimmt?«
    »Ganz und gar nicht. Die meisten Männer sind Narren.«
    »Ich sehe nicht ein, was an der Sache so töricht ist.«
    »Bildest du dir ein, dass die Anwesenheit des Mädchens Frieden in diesem Hause schaffen wird? Satipy und Kait werden außer sich sein und ihre Gatten gegen sie aufstacheln.«
    »Was haben sie damit zu schaffen? Haben sie ein Recht, sich aufzulehnen?«
    »Nein.«
    Imhotep begann ärgerlich auf und ab zu gehen.
    »Darf ich in meinem Hause nicht tun, was mir beliebt? Sorge ich nicht für meine Söhne und ihre Frauen? Verdanken sie mir nicht das Brot, das sie essen?«
    Esa seufzte.
    »Sie arbeiten für dich, vergiss das nicht.«
    »Möchtest du, dass ich sie zur Faulheit ermuntere? Natürlich arbeiten sie.«
    »Es sind erwachsene Männer.«
    »Sobek hat kein Urteilsvermögen. Er macht alles verkehrt. Auch ist er oft unverschämt, was ich nicht dulden werde. Yahmose in ein folgsamer Knabe…«
    »Kein Knabe mehr!«
    »Aber manchmal muss ich ihm etwas zweimal sagen, bis er es begreift. Ich muss an alles denken, muss überall sein! Wenn ich fort bin, muss ich die ganze Zeit schriftliche Anweisungen geben. Ich ruhe kaum, ich schlafe kaum! Und nun komme ich heim, habe mir ein wenig Frieden verdient, und schon gibt es neue Schwierigkeiten! Sogar du, Mutter, machst mir das Recht streitig, wie andere Männer ein Weib zu nehmen. Du bist zornig…«
    Esa unterbrach ihn: »Ich bin nicht zornig. Es belustigt mich. Immerhin gebe ich dir den Rat, das Mädchen mitzunehmen, wenn du wieder Richtung Norden reist.«
    »Ihr Platz ist hier, in meinem Hause! Und wehe demjenigen, der sich untersteht, sie schlecht zu behandeln.«
    »Es geht nicht um die Frage schlechter Behandlung. Doch bedenke, es ist leicht, trockenes Stroh in Brand zu setzen. Es gibt Orte, an denen für eine Frau nicht gut sein ist…«
    Esa schwieg ein Weilchen, dann fuhr sie langsam fort:
    »Nofret ist schön. Aber bedenke dies: ›Durch die gleißenden Glieder der Weiber werden Männer zu Toren, und siehe, in einer Minute sind sie entstellte Karneole geworden…‹«
    Ihre Stimme wurde dunkler, als sie weiterzitierte: »›Ein bisschen, ein wenig, so etwas wie ein Traum, und am Ende kommt der Tod…‹«

4
    Dritter Monat der Überschwemmung – 15. Tag
     
    I mhotep lauschte Sobeks Bericht über den Holzverkauf in düsterem Schweigen. Sein Gesicht war sehr rot geworden, und an der Schläfe pochte eine Ader.
    Sobeks betont lässiges Auftreten wurde immer weniger überzeugend. Er hatte die Absicht gehabt, mit großer Gebärde alles zu erledigen, doch angesichts des väterlichen Ärgers begann er zu stammeln.
    Schließlich schnitt Imhotep ihm kurzerhand das Wort ab:
    »Ja, ja, du glaubtest es besser zu wissen als ich, du hast dich nicht an meine Anweisungen gehalten. Es ist immer dasselbe… wenn ich nicht hier bin und über allem wache…« Er seufzte. »Was aus euch würde, wenn ich nicht wäre, das kann ich mir nicht vorstellen!«
    Sobek fuhr störrisch fort: »Es bot sich Aussicht auf einen viel größeren Gewinn, ich nahm das Wagnis auf mich. Es ist sinnlos, dauernd nur Vorsicht walten zu lassen!«
    »Du bist viel zu voreilig und tollkühn, Sobek, und du hast kein Urteilsvermögen.«
    »Habe ich denn jemals die Chance, mein Urteilsvermögen zu beweisen?«
    Imhotep entgegnete trocken: »Diesmal hast du sie gehabt, hast meinen Befehlen zuwider gehandelt.«
    »Muss ich ewig Befehle befolgen? Ich bin ein erwachsener
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