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Radio Heimat

Radio Heimat

Titel: Radio Heimat
Autoren: Frank Goosen
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sonniger Tag und ich stand auf der A 52, nur wenige Kilometer vor etwas, das wir
Dreieck Essen-Ost
nannten. Ich hatte meinen Sitz in eine waagerechte Position gebracht und sah mir an der Decke meiner Blechkiste einen Film an. Wisst ihr, wie wir diese Decke nannten?«
    Nein, das wussten die Kinder nicht.
    »Wir nannten sie Himmel. Meistens sahen wir mehr von diesem Himmel als von jenem, der sich über die Erde spannt. Ich sah also einen Film, ich weiß gar nicht mehr welchen, die automatische Steuerung bewegte die Blechkiste alle zwanzig Minuten etwa fünf Meter vorwärts, als es plötzlich an meine Scheibe klopfte und ich in das schönste Gesicht blickte, das ich je gesehen hatte. Das junge Mädchen, das zu diesem Gesicht gehörte, sagte, sie habe gesehen, dass meine Blechkiste bereits über einen Abort verfüge, und ob sie den benutzen dürfe, sie wolle sich nicht zu den anderen Frauen in den Straßengraben setzen. Natürlich hatte ich nichts dagegen. Mein Auto-Abort war damals ein ganz einfacher, schlicht eine Öffnung unter einem Deckel in der Rückbank, aber schon angeschlossen an den Kraftstoffkreislauf, der alle menschlichen Sekundärprodukte gleich in Energie umwandelte, so weit waren wir immerhin schon. Die Große Umwendung kündigte sich schon an. Ja, und so habe ich eure Großmutter kennengelernt. Sie saß auf der Rückbank, und unsere Blicke begegneten sich im Rückspiegel. Wir ließen ihre alte Blechkiste einfach stehen, wo sie war, das fiel nicht weiter auf, und zeugten noch vor Mitternacht ein Kind.« »Auf der A 52?«
    »Nein, das war schon auf der A 40, kurz vor Frillendorf.«
    Da waren's die Kinder zufrieden mit dem Großvater. Der Abend senkte sich auf das Dorf, und die Kinder wurden von ihren Eltern in ihre Hütten gerufen.
     

Oh 40 du!
    Oh 40 du, mit einem A!
    Mein Leben lang warst du mir nah
     
    Entspringst schon fast im Niederland
    Und erst in Duisburg wird es int'ressant
     
    Vorher durch den flachen Niederrhein
    Vorbei an Bauer, Kuh und Schwein
     
    Straelen, Wankum, Kempen, Kerken
    Auch Wachtendonk muss man sich nicht merken
    Dann Neukirchen und durch Vluyn
    Auch mit Moers, da hab ich nix zu tun
     
    Rheinhausen, Homberg und Kreuz Kaiserberg
    Vor der Laube steht der Gartenzwerg
     
    Das nächste Dorf wird Mülheim heißen
    Wo sie in Styrum Heimaterde schweißen
     
    Ein Tunnel unter Essen licht
    Ist besser so, dann sieht man's nicht
     
    So nah die Häuser - Huttrop, Essen
    Lärmschutz kannze hier vergessen
     
    Es grätscht die 52 seitlich rein
    Und Radaranlagen - gar nicht fein
     
    Steele, Frillendorf und Kray
    Auch Gelsenkirchen ist dabei
     
    Und von der schönsten Stadt der Christenheit
    Trennt uns nur noch Wattenscheid
     
    Stahlhausen, Weitmar, Hamme
    In diesen Fleck ich meine Fahne ramme
     
    Oh Bochum, Perle, Schmuckstück du!
    Wie gern seh ich dir dabei zu
     
    Wie Großstadt du versuchst zu sein
    Und bleibst doch nur ein Dörflein klein
     
    Mit U-Bahn, Fußball, Boulevard
    Mächtig was los hier, alles klar!
    Blau-Weiß ist mein Syndrom
    Und das Stadion heißt wie Strom
     
    Den alten Namen haben sie verbrannt
    Und jetzt auch noch die Ausfahrt umbenannt!
     
    Noch Harpen, Laer und Werne
    Auch Langendreer in der Ferne
     
    Lütgendortmund, Dorstfeld, Kley
    Dortmund-West, es ist vorbei
     
    A 40, mon amour
    Asphalten bist du und auch stur
     
    Links und rechts von dir Geschichten leben
    Echte Fressen, die vor Frechheit beben
     
    Und traurig in den Abgrund schaun
    Aus dem früher Kohle sie gehaun
     
    Selterbude, Frittenschmiede, Schrebergarten
    Orte, wo wir auf Erlösung warten
     
    Manche starren stumm auf Küchenschränke
    Vor sich nur gefährliche Getränke
     
    Andre schlagen dir den Schädel ein
    Willst du kein Borusse sein
     
    Vom Staub der Kohle zum Computerchip
    Statt Rollmops nun Exotik-Dip
     
    Oh 40 du, mit einem A
    Du warst immer für mich da
     
    Meist länger als ich wollte
    Wenn mal wieder gar nichts rollte
     
    Asphalt bist du nur und Teer
    Dich zu lieben fällt mir schwer
     
    Doch du bist mein und ich bin dein
    Es wird noch lange dauern mit uns zwein
     
    Und mit dem letzten Tropfen hier im Tank
    Sag ich fürs Wörtchen »Zuflussreglung« Dank
     

Kadett
    Mein Oppa fuhr immer nur Bochumer Autos und tankte nur Bochumer Benzin. Etwas anderes als ein Kadett kam ihm nicht unter den Hintern, und in den Tank gehörte Aral. Er war fest davon überzeugt, dass dem Motor mit Shell, Esso oder Texaco irreparabler Schaden zugefügt würde. Das lehre doch das Leben ganz
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