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Radikal

Radikal

Titel: Radikal
Autoren: Yassin Musharbash
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war.«
    »Quatsch. Ich weiß nicht, ob Sie es wissen, aber ich kann beweisen, dass Samuel Sonntag kein Unschuldslamm ist. Er war ein Freund von Mohammed Atta, verdammt!«
    »Ja, war er. Er hat für seine Magisterarbeit über Islamisten in Hamburg geforscht und so Atta kennengelernt. Und nicht nur Atta. Sondern auch Khaldun Nabulsi, einen noch viel besseren Freund von Mohammed Atta.«
    »Wie bitte?«
    »Herr Dengelow, es ist eigentlich alles ganz einfach. Ich habe Beweise, dass Nabulsi und Atta Freunde waren. Ich habe eine eidesstattliche Versicherung von Niklas Weissenthal, dass er Khaldun Nabulsi, den er übrigens eindeutig auf einem Foto identifiziert hat, Sprengstoff verkauft hat. Ich kann mit einer weiteren eidesstattlichen Aussage belegen, dass Sie den Hinweis auf den Sprengstoff auf Samuel Sonntags Dachboden von einem V-Mann mit dem Tarnnamen Munir haben. Diese Beweise befinden sich alle an einem sicheren Ort, zusammen mit einer komplett fertigen, vier Seiten langen Geschichte der Globus – Redaktion. Die Überschrift lautet ›Massenmord auf BKA – Kosten‹, und außer einem Foto von Munir ist auch eins von Ihnen drin. Dieser Artikel erscheint am Montag, er geht also heute Abend in Druck. Es sei denn, Herr Dengelow, Samuel Sonntag ist bis 18 Uhr auf freiem Fuß und Niklas Weissenthal wird wegen des Sprengstoffs nicht belangt.«
    »Sie sind irre!«
    »Vielleicht, Dengelow. Aber Sie sind am Arsch .«
    Dann war sie gegangen.
    Was sollte er tun? Was konnte er tun? Er starrte auf die beiden Bilder vor sich auf dem Tisch. Sollte er Munir anrufen? Er wusste, dass das sinnlos wäre. Er hatte in den vergangenen Tagen mehrfach versucht, ihn zu erreichen, aber das Handy war tot, die E-Mails waren unbeantwortet geblieben. Er hatte sich nicht weiter darüber gewundert, so etwas kam vor, V-Leute eben, aber jetzt ergab es einen Sinn. Er ahnte, dass Sumaya al-Shami recht hatte. Scheiße, er wusste , dass sie recht hatte. Er hatte es vorher nicht gewusst. Noch vor zehn Minuten wäre er nicht im Traum darauf gekommen. Aber es passte alles, und wie er es auch drehte, er war tatsächlich erledigt. Er wusste nicht, worüber er wütender war: dass er erpresst wurde oder dass er auf Munir reingefallen war. Das hier war der Abgrund, das Ende, das schwarze Loch, in dem er versinken würde. Es war vorbei. Alles war vorbei. Es hätte nicht passieren dürfen. Es war passiert.
    Er stand auf, ging zu der Espressomaschine, hob sie hoch und warf sie voller Zorn gegen die gegenüberliegende Wand, wo sie eine tiefe Kerbe in den Beton schlug und scheppernd auf dem Boden landete.Braune tropfende Spritzer sprenkelten die Wand. »Scheiße«, brüllte er. Und noch einmal, noch lauter: »Scheiße!«
    Er merkte, dass er schwitzte, am ganzen Körper, sein Hemd klebte, seine Hose. Er schnappte nach Luft. Er ging zum Fenster, öffnete es und blickte auf die Spree. Er verspürte den Impuls zu springen. Er beugte sich vor und sah nach unten. Hoch genug wäre es. Er hatte das schon oft gesehen, das Ergebnis jedenfalls. Es war nicht so schlimm, wie die meisten Menschen es sich vorstellten. Jedenfalls nicht, wenn man nicht mit dem Kopf zuerst sprang. Er schätzte, wie lange es dauern würde. Ein paar Sekunden. Zwei oder drei. Es wäre wirklich sehr einfach. Doch dann hatte er plötzlich an Leo gedacht und daran, dass er ihn heute Morgen verpasst hatte. Dann hatte er gedacht: Springen kann ich immer noch. Dann hatte er geweint.
    Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder einigermaßen unter Kontrolle gehabt hatte. Danach hatte er sich darangemacht, sich zu überlegen, wie er Samuel Sonntag befreien konnte.
    Er brauchte zwei Stunden, bis er eine Lösung fand. Als er sie ins Werk setzte, wusste er genau, dass er sich verwandelte, von einem guten Polizisten in einen korrupten. Von einem Gesetzeshüter in einen Gesetzesbrecher. Er wusste auch, dass er das nie wieder rückgängig würde machen können. Aber er hoffte, dass er lernen würde, es zu verdrängen.
    Sebastian Häckler. Das war der Name des jungen Beamten in der Forensik, der sein Opfer sein würde. Häckler war an den Sprengstoffuntersuchungen beteiligt gewesen. Und er war der Einzige der Beteiligten, gegen den er etwas in der Hand hatte. Wobei das so nicht stimmte, aber es ließ sich so wenden, und einzig darauf kam es an, auf brutalen Druck. Häckler hatte vor zwei Monaten einen Antrag gestellt, für einen zweimonatigen Weiterbildungskurs für Forensiker aus befreundeten Polizeien im FBI –
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