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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen
Autoren: Simone Knodel
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stirnrunzelnd.
    „Gunde prügelt!“, plapperte Bertafrid nach.
    „Nein! Ich habe versucht, allein auf ein Pferd zu klettern, neben dem ich mir so klein vorkam, wie du dich neben Herminafrid fühlen musst.“
    „Oh, so große Pferde gibt es doch gar nicht!“
    „Das habe ich bis heute Morgen auch nicht geglaubt. Aber am Abend ging es dann schon besser.“
    „Wurde das Pferd gegen Abend kleiner?“, kicherte Besa.
    „Mag sein, vielleicht ist es morgen früh nur noch so groß wie ein Hund!“ Ausgelassen stupste sie die Zwergin in die Seite.
    Besa grübelte vor sich hin. So gute Laune hatte ihre Prinzessin nicht gehabt, seit sie Bertachars Königshof verlassen hatten.
    Am nächsten Morgen fiel ein feiner, milder Frühlingsregen.
    „Reiten wir trotzdem?“, fragte Radegunde mit bangem Blick beim Morgenmahl.
    „Hast du vergessen, dass wir nur eine Woche Zeit haben?“, entgegnete Amalafrid und schlürfte seinen Hirsebrei vom Löffel. „Das Wetter darf uns nicht abhalten!“
    „Werden wir denn die ganze Woche brauchen?“, raunte sie etwas leiser über den Tisch.
    Ihr Vetter sah sie ungläubig an: „Du kannst gerade erst hinaufsteigen! Wie machst du dem Pferd begreiflich, wohin es gehen soll, wie schnell es laufen soll? Wie befiehlst du ihm, stehen zu bleiben? Und was ist, wenn du nicht mehr die brave Stute reitest, sondern einen nervösen Hengst, den vielleicht noch der Hafer sticht?“
    Sie musste zugeben, dass sie ihre Aufgabe unterschätzt hatte. Amalafrid legte den Löffel beiseite und beugte sich über den Tisch. „Mein Vater möchte nicht, dass du auf einem Pferd sitzen kannst, sondern er möchte, dass du das Tier beherrscht!“
    Er stand auf und nickte seinen Eltern zu, die an der Stirnseite der Tafel saßen. „Und jetzt komm, wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Eilig liefen sie hinüber zu den Ställen.
    Die braune Stute wieherte erfreut, als sie aus ihrem Verschlag geholt wurde. Amalafrid reichte Radegunde das Zaumzeug.
    „Zäume sie auf, auch das solltest du können. Nicht immer ist ein Pferdeknecht in der Nähe.“ Radegunde drehte das kompliziert aussehende Lederknäuel ratlos in den Händen. Sie wusste zwar, wie das fertig aufgezäumte Pferd auszusehen hatte, aber wo war in diesem Wirrwarr von Riemen oben und unten? Amalafrid lächelte nachsichtig und trat hinter sie. Er fasste ihre Hände und führte sie zum Pferdekopf.
    „Sieh her, diesen Teil schiebst du über die Ohren, das hier um das Maul, der Rest ergibt sich von selbst.“ Die Stute schnaubte zustimmend.
    In ihren Ohren rauschte das Blut so laut, als säße sie direkt neben einem Wasserfall. Ihr Hinterkopf lag unter seinem Kinn, sein Atem strich sanft über ihre Wange, während er sprach. Als das Zaumzeug an Ort und Stelle war, blieben sie unbewegt stehen.
    „Hast du verstanden?“, fragte Amalafrid nach einem unendlich lang scheinenden Moment ganz leise an ihrem Ohr. Radegunde drehte sich um und nickte. Sie war seinem Gesicht so nah, dass es ihr schwerfiel, es als Ganzes zu sehen. Doch das war auch nicht nötig. Ihr genügten seine Augen, deren Tiefe eine magische Anziehungskraft besaß. Schon spürte sie die Wärme seiner Wangen, sah den dunklen Flaum um seine Lippen.
    Die Stute legte ihren Kopf auf seine Schulter und trieb die glühenden Gesichter auseinander. Fühlte er das auch? Die Luft um sie herum schien zu knistern.
    „Ich geh den Sattel holen“, sagte Amalafrid mit belegter Stimme.
    Sie strich der Stute über die Blesse. „Bist du etwa eifersüchtig?“, flüsterte sie dem Tier ins Ohr. Die Stute schüttelte ihre helle Mähne und sie musste lachen.
    Amalafrid zeigte ihr, wie der Sattel aufgelegt wurde und wie man die Riemen unter dem Bauch des Pferdes festzog. Bei jeder Berührung seiner Hände glaubte sie in Brennnesseln zu greifen. Schließlich führte er die Stute hinaus und sprang auf.
    „Komm“, murmelte er und reichte ihr die Hand, „ich zeige dir, wie du sie lenken kannst.“
    Gemeinsam im Sattel verließen sie den Hof. Es regnete noch immer, aber sie spürte es nicht.
    Abends auf dem Lager fragte Besa mit gedämpfter Stimme: „Es ist Amalafrid, nicht wahr? Er zaubert dir dieses Lächeln ins Gesicht, dass man glaubt, die Mundwinkel wären dir an den Ohren festgewachsen.“
    Radegundes Gesicht nahm die Farbe eines reifen Augustapfels an. Sie drehte sich auf die Seite und schwieg.
    „Na gut“, lenkte Besa ein, „vielleicht hast du dich ja auch in das Pferd verliebt!“
    „Pferd lieb?“, brabbelte Bertafrid
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