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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen
Autoren: Simone Knodel
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Kleider ab und folgte ihm.
    „Brrr, ist das kalt!“
    „Hier draußen wird es wärmer!“, rief er.
    Er hatte Recht. Als das Wasser ihren Körper ganz umschloss, stieß sie sich ab und schwamm mit kräftigen Zügen auf ihn zu. Seerosenblätter streiften ihre Beine, doch sie gaben leicht nach. Prustend und keuchend schwammen sie eine Weile um die Wette, dann kletterten sie ans Ufer und ließen sich auf seinen Umhang fallen.
    Die Sonnenstrahlen trockneten begierig ihre Haut.
    „Du wirst einmal eine wunderschöne Frau sein!“, sagte Amalafrid nach einer Weile und las ein kleines Seerosenblatt von ihrer Schulter.
    Sie schloss die Augen. Durch ihre Lider leuchtete die Sonne, warm und rot wie Mohnblüten im Sommer. Dann fiel sein Schatten auf ihr Gesicht.
    Als Herminafrid am Abend sein Schlafgemach betrat, stand Amalaberga am Fenster und klopfte unruhig mit den Fingern gegen das Weidengeflecht in den Rahmen, das vor kalter Nachtluft und neugierigen Blicken schützen sollte. „Wir müssen über Radegunde reden!“
    „Warum? Was hat sie angestellt?“ Herminafrid wickelte mit einem wohligen Seufzer die Lederlappen von den Füßen und streckte die Zehen aus.
    „Sie ist in Amalafrid verliebt. Die beiden waren heute den ganzen Tag allein unterwegs. Wir können das nicht mehr dulden!“ Ihre Stimme klang gereizt.
    „Wenigstens kann sie jetzt reiten!“, beschwichtigte sie Herminafrid.
    „Ja, und wer weiß, was er ihr noch alles beibringt! Verstehst du nicht, Mann, sie sind jung. Das Blut fließt heiß in ihren Adern!“
    Der König nickte nachdenklich und warf sich auf das Lager, das unter ihm bedrohlich ächzte. „Ja, du hast vermutlich Recht. Radegunde muss eine Aufgabe bekommen. Morgen werde ich sie mitnehmen, wenn ich die Höfe besuche. Sie kann meinen Schreibern über die Schulter sehen.“
    Seine Frau schüttelte unwirsch den Kopf. „Aufgaben hat sie genug. Sie braucht einen Mann! Wir sollten noch einmal über die Frankenkönige nachdenken. Vielleicht macht es doch einen Sinn, wenigstens einen von ihnen als Verbündeten zu haben.“
    „Was ist mit Rodelinde? Mit ihr könnten wir einen zweiten der Frankenkönige für uns gewinnen!“
    Diese Frage hätte er besser nicht gestellt. Amalaberga fuhr herum und fauchte: „Du willst deine eigene Tochter diesen primitiven Grobianen ausliefern?! Was denkst du dir eigentlich?!“
    „Aber Radegunde ist doch …“
    Sie ließ ihn nicht aussprechen. „Was willst du eigentlich? Nährt die Maus etwa das Katzenjunge? Sie ist die Tochter deines Bruders, doch der ist tot! Muss sie nicht froh sein, wenn wir uns um ihre Zukunft mühen? Du bist jetzt der König des Thüringer Reiches, du allein!“
    „Gut.“ Er wollte seine Ruhe. „Dann wird Radegunde viel lernen müssen!“
    „Das ist kein Problem. Über die Familie des alten Chlodwig kann ich ihr das Notwendigste beibringen.“ Amalaberga klang besänftigt.
    „Jetzt lösch das Licht und komm her, morgen beginnt der Tag recht früh.“
    In der ersten Morgendämmerung brachen sie auf. Neben Amalafrid und Radegunde begleiteten den König sein Waffenträger Iring, Schreiber und Steuereintreiber, Soldaten und etliche Diener. Vom zentralen Königshof aus führte der Ritt über die taufeuchten Wiesen in Richtung Osten, der aufgehenden Sonne entgegen.
    „Wir reiten immer zuerst zum Thingplatz. Dort warten die Leute auf das Wort des Königs, der Recht sprechen soll.“ Amalafrid hielt sich dicht neben Radegunde.
    Sie nickte. Auch ihr Vater hatte einmal im Monat die sogenannten Königsleutedörfer besucht, um nach dem Rechten zu sehen. Doch war sie nie mit ihm geritten.
    Die Sonne stand eine Handbreit überm Horizont, als sie auf dem Thingplatz ankamen, der oberhalb des Dorfes Gebisee auf einem flachen Hügel lag. Dort hatte sich allerhand Volk versammelt. Die meisten waren Schaulustige, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollten und anschließend den Markt in Gebisee besuchen würden. Die Ankläger und Bittsteller sowie die Dorfältesten drängten sich in die vorderen Reihen. Frauen durften den Thingplatz nicht betreten, sie hielten sich im Hintergrund und hofften, wenigstens etwas vom Geschehen zu hören. Die Schreiber organisierten mit geübten Schritten den Ablauf des Geschehens. Zunächst wurde eine Reihenfolge der Fälle festgelegt, wobei sie meist nach der Schwere der Anschuldigung vorgingen. Dann wurden die Zuschauer hinter die Absperrung verwiesen, und der König nahm seinen Platz unter Donars Eiche ein, die den
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