Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen
Autoren: Simone Knodel
Vom Netzwerk:
der die Palisaden sieht, dass hier etwas verborgen gehalten wird?“
    „Es wird das Gerücht genährt, es handele sich um ein Dorf mit Sklaven und Kriegsgefangenen. Ehrbare Leute halten sich freiwillig von ihm fern.“
    Also doch ein Gefängnis. „Und die Kammmacher?“
    „Sie bringen den fertigen Schmuck auf den Markt. Von dem Gewinn behalten sie einen vereinbarten Anteil.“
    Sie saßen ab und übergaben ihre Pferde einem kleinen Jungen, der eilfertig die Zügel ergriff. Dann gingen sie von Haus zu Haus und bestaunten die wunderschönen Stücke, die von den Handwerkern ausgelegt worden waren.
    Amüsiert lauschte Amalafrid ihren begeisterten Ausrufen und beobachtete, wie sie so manche Fibel vorsichtig aufhob und sachte in den Händen drehte. Eine davon hatte es ihr besonders angetan. Sie erinnerte in ihrer Form an einen Lindenbaum, der untere Teil war so breit wie ihr Daumen und endete oben in einem Halbkreis. Die Sonne glänzte auf dem feingehämmerten Gold und ließ filigrane Muster erkennen. Aus dem Halbkreis wuchsen in regelmäßigen Abständen fünf kleine Verzweigungen heraus, an deren Ende Almandine die Sonnenstrahlen einfingen und winzige rote Lichtreflexe auf ihr Gesicht zauberten. Amalafrid nahm sie ihr aus der Hand und steckte sie ihr vorsichtig an das Gewand.
    Ein bärtiger Mann kam aus seiner Werkstatt gehumpelt und nickte wohlwollend. „Ein schönes Stück für eine edle Frau!“, sagte er mit einem fremdartigen Akzent, der Radegunde an Amalabergas Sprache erinnerte.
    Amalafrid winkte den Mann beiseite. „Nenn mir deinen Preis!“
    Sie stand sprachlos vor Freude da und strich immer wieder über die prächtige Fibel. Während ihr Vetter seinen Beutel zog, wandte sie sich verlegen ab. Dabei fiel ihr auf, dass die Handwerker in den anderen Werkstätten ebenfalls hinkten. Einige gingen sogar an Krücken.
    Sie zog die Stirn kraus. Eine Standeskrankheit konnte das wohl kaum sein.
    Seine Hände auf ihrer Schulter drehten sie sacht zu ihm herum. Seine Augen leuchteten dunkler als all die Edelsteine um sie herum. „Du bist wunderschön!“, flüsterte er.
    Nachdem Herminafrid seine Geschäfte abgewickelt hatte, ließen sie sich ihre Pferde bringen und verließen das geheimnisvolle Dorf. Hinter ihnen schloss sich knarrend das Palisadentor.
    „Warum humpeln die Goldschmiede?“, fragte sie, kaum dass sie außer Hörweite waren.
    „Man hat sie aus dem Reich der Goten hierhergeholt, weil es dort die besten Goldschmiede gibt. Sie sind überaus geschickt.“ Amalafrid klopfte seinem Schimmel, der vor einer kleinen Blindschleiche am Wegesrand scheute, beruhigend den Hals. „Damit sie nicht wieder in ihre Heimat zurückkönnen, schneidet man ihnen die Sehnen am rechten Fuß durch.“
    Radegunde riss abrupt an den Zügeln, der Fuchs ging kurz auf die Hinterhand und blieb stehen.
    „Man macht was? “ Ihre Stimme überschlug sich.
    Amalafrid zuckte die Schultern. „Nun, sie haben sich doch eingewöhnt. Hattest du den Eindruck, sie wären unglücklich?“
    „Doch zu welchem Preis! Wären sie denn nicht auch so geblieben?“ Sie konnte es noch immer nicht glauben.
    „Ich weiß nicht.“ Amalafrid spornte sein Pferd, der Reitertrupp gewann Vorsprung. „Jetzt komm!“
    Die Goldfibel an ihrem Umhang wog plötzlich schwer.
    Als die Sonne am höchsten stand, passierten sie das Dorf Thachabechiu. Wie übergroße Ameisenhügel standen aus Lehm gebaute Brennöfen neben den äußersten Hütten. Zum Schutz vor Regen und Schnee waren auch die Werkstätten der Töpfer unter demselben Dach wie ihre Wohnstätten. Jetzt im Frühjahr wurden die Flechtwände an den Seiten herausgenommen. Im Winter nutzte man die Wärme des Ofens gleichzeitig zum Heizen der Hütten.
    Der Wind wehte den Duft von frisch gebackenen Fladen herüber, und Radegunde spürte plötzlich, wie hungrig sie war. „Wie lange reiten wir noch?“
    Amalafrid hob die Hand über die Augen und sah nach der Sonne. „Wenn wir in Gerstete angekommen sind, gibt es eine Pause.“
    Der Reitertross legte jetzt einen scharfen Galopp ein, offenbar hatte der Duft der Brote auch die Männer angespornt. Sie musste sich auf das Pferd konzentrieren, um mithalten zu können. Bald hörte sie neben dem Donnern der Hufe den metallischen Singsang von Hammer und Amboss. Direkt hinter einem Wäldchen lag das Dorf, zwischen zwei Hügel gebettet. Erleichtert ließ sie den Fuchs austraben. Mit schmerzenden Oberschenkeln saß sie ab, und sofort war ein Junge aus dem Dorf zur Stelle, um
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher