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Radegunde von Thueringen

Radegunde von Thueringen

Titel: Radegunde von Thueringen
Autoren: Simone Knodel
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ihr das Pferd abzunehmen. Der König und sein Waffenträger Iring wandten sich der Werkstatt mit den rot glühenden Schmiedefeuern zu. Die Schreiber hielten sich dicht dahinter.
    „Komm!“, sagte Amalafrid und nahm sie bei der Hand. „Diese Geschäfte sind sterbenslangweilig.“
    Er führte sie zur Mitte des Dorfes, wo ein grasbewachsener Platz von einigen alten Linden gesäumt wurde. Sie standen in voller Blüte und ein dumpfes Summen hing in ihren Kronen. Schwärme von Bienen labten sich am Nektar. Unter den Bäumen war eine lange Tafel aufgebaut, an der Herminafrids Diener sich bereits zu schaffen machten. Aus den mitgeführten Körben und Krügen entluden sie Haferküchlein, geräuchertes Fleisch und getrockneten Fisch. Frauen aus dem Dorf brachten frisches Wasser in Krügen, Kinder schleppten Schüsseln mit Löwenzahn heran und balancierten vorsichtig Schalen mit gelbem Honig auf den Tisch.
    Neben dem Dorfplatz plätscherte ein kleiner Bach, wo sie sich den Staub von Gesicht und Händen wuschen. Es dauerte nicht lange, da saßen auch der König und Iring an der Tafel. Ohne Zeit zu verlieren, diskutierte Herminafrid mit dem Waffenschmied über demnächst anstehende Lieferungen. Sie erfuhr, dass der König eine sehr große Menge an damaszierten Schwertern und noch mehr Pfeilspitzen in Auftrag gegeben hatte und dass der Schmied und seine Söhne beinahe Tag und Nacht daran arbeiten mussten. Auch während des Essens schwiegen die Hämmer in der Werkstatt nicht.
    „Es wird wieder Krieg geben, nicht wahr?“, flüsterte sie Amalafrid zu.
    Der nickte. „Natürlich. Die Franken geben keine Ruhe. Seit mein Oheim Theoderich tot ist, glauben sie, sie könnten Thüringen und das Reich der Ostgoten einnehmen.“
    „Aber sie haben keine Chance, oder?“ Allein der Name der Franken flößte ihr Schrecken ein.
    „Normalerweise nicht, aber wir müssen auf der Hut sein. Sie könnten sich mit den Sachsen verbünden. Dann hätten sie uns in der Zange.“
    Die Sachsen! Die Geschichten, die man sich abends in den Hütten über dieses Volk erzählte, waren noch blutrünstiger als die Gerüchte über die Franken. Schwertmenschen wurden sie genannt, grausam und unbarmherzig gegen andere.
    „Außerdem“, fuhr Amalafrid leise fort, „haben wir im letzten Kampf sehr viele gute Männer verloren. Unter anderem auch deinen Vater!“
    Einen Moment lang dachte sie wieder an das Gespräch der Soldaten, das sie belauscht hatte, und sie schickte einen zweifelnden Blick zu Herminafrid hinüber. Doch erschien ihr der Gedanke, ihr Oheim habe etwas mit dem Tod ihres Vaters zu tun, absurder als je zuvor.
    „Warst du dabei, als mein Vater fiel?“, fragte sie.
    Amalafrid schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Nein, ich kämpfte an der Seite Irings, wir waren von Vater und Ohm Bertachar getrennt worden. Wir haben es erst erfahren, als die Franken sich zurückzogen.“
    „Amalafrid!“ Die Stimme des Königs unterbrach sie. „Du wirst mit dem Schmied Gero und meinem Schreiber gehen und die Zählung der bereits fertiggestellten Schwerter überwachen.“
    Sein Blick glitt über die prächtige Fibel, die an Radegundes Gewand glänzte.
    „Du prüfst im Lagerhaus des Dorfes die Honigtöpfe, die für den Königshof bereitstehen. Mein Schreiber hier wird dir zeigen, wie du sie markieren kannst.“
    Sie wunderte sich über seinen barschen Ton, nickte jedoch und ließ sich von einem sauertöpfisch blickenden Schreiber zum Lagerhaus führen. Dort markierte sie mit Wachs und Siegel die königlichen Honigvorräte.
    Als sie den Ort verließen, musste Amalafrid an der Seite seines Vaters reiten.
    Das nächste Dörfchen hieß Tullenstat und lag etwas abseits vom Weg. Rings um die Hütten herum wurden prächtige Pferde auf Koppeln gehalten. Bei den Stuten und ihren neugeborenen Fohlen hätte sie den ganzen Tag stehen können. Der König ließ sich einzelne Tiere vorführen, wobei ihn besonders die Schimmel interessierten. Zufrieden lächelnd musterte er die kräftigen Muskeln unter dem silbrig glänzenden Fell und die stolzen Köpfe der Tiere, deren Mähnen im Frühlingswind wehten.
    „Sieh her, Amalafrid! Siehst du diese Fesseln? Schön kräftig und gerade?“ Er klopfte einem hellen Hengst den Hals. „Und trotz seiner Stärke ist er sanftmütig wie ein Lamm!“
    Bis auf eine Handbreit war die Sonne dem Horizont näher gekommen, als der Tross in Richtung Königshof aufbrach. Die Pferde witterten die heimatlichen Ställe und verfielen von selbst in
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