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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus
Autoren: Evelyn Sanders
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entlich leben, weeß keen Mensch. Aussehn tun se wie Gouvernanten aus’m vorichten Jahrhundert, so mit Tweedkostüm und Dutt. Ick muß wirklich mal die Missionare fragen, denn det sind die einzigen, mit denen se ab und zu reden.«
    Hm. Hier schien jeder alles über jeden zu wissen, und was er noch nicht wußte, kriegte er zweifellos heraus. In Windeseile durchforschte ich unser bisheriges Leben, konnte aber so auf Anhieb keinen dunklen Punkt entdecken. Auch die Verwandtschaft, gottlob weit entfernt und nicht eben reiselustig, würde kein diskriminierendes Angriffsziel bieten.
    »Nu werde ick Ihnen mal Ihre künftige Heimstatt zeijen«, meinte Herr Obermüller, nachdem die Flasche leer und er selbst etwas unsicher auf den Beinen war. Er öffnete die Terrassentür, betrat den Schotterhaufen, der erst eine Terrasse werden sollte, und wies mit ausladender Gebärde auf die angrenzende Lehmwüste. »Det sind die Järten. Werden im Herbst anjelegt. Oder soll’n se wenigstens. Jroß sind se nich, aber für Schnittlauch, Petersilie und Federball reicht et. Und nu kommen Se jenau hinter mir her, sonst jehn Se noch mal baden.«
    Gehorsam stapften wir im Gänsemarsch hinterdrein. Frau Obermüller hatte sich der Expedition angeschlossen. »Wenn das alles mal fertig ist, werden wir hier bestimmt sehr schön und vor allem sehr ruhig wohnen. Kein Verkehr, viel frische Luft, Platz für die Kinder – haben Sie welche?«
    »Ja, zwei Jungs, drei und fünf Jahre alt.«
    »Wie schön, dann hat Riekchen ja gleich einen Spielkameraden. Wir haben nämlich eine Tochter im gleichen Alter. Außerdem noch einen Sohn. Aber Michael ist schon zehn und fühlt sich im Augenblick noch ein bißchen vereinsamt. Er vermißt Kino, Fußballplatz, Freibad – also alles das, was nach seiner Ansicht lebensnotwendig ist.«
    Wir hatten den Asphaltplatz erreicht, überquerten ihn und standen wieder vor einer Lehmbarriere. Mitten drin drei Treppenstufen, links davon eine zweieinhalb Meter hohe Ziegelmauer.
    »Is als Windschutz jedacht. Wäre ja ooch jar keene schlechte Idee, wenn et nich meistens von die andre Seite wehn würde. Und det Rieselfeld hier müssen Se sich natürlich wegdenken, det wird der Vorjarten. Allet einheitlich, so mit Hecke und Kletterrosen, damit die Zuchthausmauer nich so uffällt.«
    Obermüller fischte einen Schlüsselbund aus der Hosentasche, suchte kurz, fand das Passende und schloß auf. »Also mit die Türn hab’n die Mist jebaut. Die Dinger sind nämlich jenauso breit wie der Flur. Man muß se immer erst janz uffmachen, bevor man weeß, wer draußen steht. Oder man muß’n Kopp um die Ecke hängen, aber det sieht ziemlich dußlig aus.«
    Wir betraten einen nicht allzu großen Flur, von dem links ein kleinerer abging, der zur Küche führte. Daneben befand sich eine Toilette, deren Installationen wir ungehindert besichtigen konnten. Die Tür fehlte.
    »Det is nich det einzije, wat noch jemacht wern muß. Det Parkett liecht ja ooch noch nich.«
    Das war unschwer festzustellen. Der Flur endete vor dem Wohnzimmer, das außer einer durchgehenden Fensterfront nur zwei graue Heizköper aufwies. Die staubten in einer Ecke vor sich hin. Immerhin war der Raum groß genug, auch eine Eßecke aufzunehmen, ohne daß man auf dem Weg dahin über Sessel klettern oder die Stehlampe zur Seite räumen mußte. Ich trat ans Fenster. Die Terrasse bestand noch aus Schotter, von der anschließenden Schotterhalde durch eine gemauerte Sichtblende getrennt. Der Rest war Lehm. Aber im Geist sah ich schon dunkelgrünen Rasen, blühende Kirschbäume, einen Sandkasten und hinten am auch noch nicht vorhandenen Zaun bunte Wicken.
    »Woll’n wir nu mal nach oben?«
    Die Treppe war natürlich nicht gefedert, aber sie sah einigermaßen solide aus und wendelte sich auch nicht in abenteuerlichen Windungen aufwärts, sondern führte schnurgerade ins obere Stockwerk. Ein durchbrochenes Metallgitter grenzte den oberen Flur nach unten ab. Die vier Zimmer hatten normale Ausmaße und konnten auch bei mißgünstigster Beurteilung nicht mit eingebauten Kleiderschränken verwechselt werden. Das Bad war erfreulicherweise quadratisch, ziemlich groß und bonbonrosa gekachelt. Der als Schlafzimmer vorgesehene Raum hatte sogar einen schmalen Balkon, auf dem zwar kaum Stühle, mit Sicherheit aber die zum Lüften auszulegenden Betten Platz hatten. Am Haus Nr. 3 zierte Buntgeblümtes die Brüstung.
    »Na, wie gefällt es dir?« fragte Rolf erwartungsvoll.
    »Das Haus ist hübsch,
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