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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus
Autoren: Evelyn Sanders
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aber…«
    »Dann nehmen wir’s!« unterbrach er kategorisch, »vorausgesetzt, es wird in diesem Jahr noch fertig.«
    »Da brauchen Se sich keene Sorjen zu machen. Wenn die wissen, det wieder eener einziehn will, jeht allet janz schnell. Denn hab’n se nämlich plötzlich ooch Leute, die Klodeckel anschrauben und die Scheuerleisten ankloppen.
    Sie müssen bloß uffpassen, det bei Ihrem Einzug ooch allet fix und fertig is. Wenn Se nämlich erst mal drin sitzen, kommt keen Mensch mehr, selbst wenn et oben reinregnet. Wann woll’n Se denn übersiedeln?«
    Rolf sah mich an. »Wie wäre es mit September? Bekannntlich hat der Herbst auch noch schöne Tage, und wenn man dann auf der Terrasse sitzen und den Sonnenuntergang beobachten…«
    »Den könn’ Se nur vom Küchenfenster aus sehen. Hier is nämlich Osten!«
    »Hm… Na ja, Sonnenaufgänge können ja auch sehr malerisch sein!« Rolf schüttelte Herrn Obermüller die Hand. »Vielen Dank für Ihre Mühe. Wir werden uns in der nächsten Wochen bestimmt noch öfter sehen, und besonders meine Frau wird Ihre Hilfe brauchen. Da gibt es doch sicher noch einiges auszumessen und zu fragen.«
    »Genau. Das fängt bei den Gardinenleisten an und hört beim Elektriker noch lange nicht auf!« Ich sah mich schon wieder inmitten von Kisten und Kartons stehen mit Gardinen, die nicht passen, und mit Lampen, die keiner anschließen kann. Dazu zwei muntere Kinder mit einer ausgesprochenen Vorliebe für Porzellan.
    Frau Obermüller zog mich zur Seite: »Sie körnen von mir die genauen Maße aller Zimmer haben einschließlich Fenster. Außerdem gibt es in Monlingen einen recht ordentlichen Dekorateur und einen Elektriker, der nicht nur zuverlässig, sondern sogar noch preiswert ist. Wenn Sie bei dem noch eine Lampe und ein paar Glühbirnen kaufen, schließt er Ihnen auch alle anderen Geräte an. Im übrigen können Sie jederzeit zu mir kommen, wenn Sie nicht weiterwissen. Hier draußen sind wir ohnehin alle aufeinander angewiesen. Der nächste Laden ist drei Kilometer weit weg, und der Bus fährt nur alle zwei Stunden.«
    So etwas Ähnliches hatte ich mir schon gedacht! Und das bei meinem Hang, meterlange Einkaufslisten zusammenzustellen und im ersten Geschäft zu entdecken, daß ich sie zu Hause vergessen hatte!
    Als mir Obermüller die Hand reichte, fragte ich neugierig: »Aus welcher Ecke Berlins kommen Sie eigentlich? Ich bin nämlich auch Spreeathenerin.«
    »Ick aber nich! Ick bin jewissermaßen Weltbürger. Jeboren bin ick in Prag. War aber bloß Zufall, weil meine Eltern jrade in Marienbad zur Kur warn und zwischendurch een bißchen in Kultur machen wollten. Damit war et denn aber Essig, weil se ja bloß det Krankenhaus jesehn hab’n. Uffjewachsen bin ick allerdings in Berlin, in Schöneberg, um jenau zu sein. Meine Sturm- und Drangjahre habe ick in Rußland verbracht, und als mich der Iwan endlich aus Sibirien rausjelassen hat, war meine linke Hand zum Teufel. Erfroren. Dafür halte ick jetzt aber die rechte auf und kassiere Rente. Hat lange jenug jedauert, bis ick welche jekriegt habe. Vorher hab ick zwee Semester Jura studiert in Hamburg, denn hab ick bei meinem Vater in Köln Speditionskoofmich jemimt, und nu mach ick in Versicherungen. Is ooch nich det Wahre, aber ick jehöre ja zu der verlorenen Jeneration, die von der Schulbank weg in’n Kriech jeschickt worden is. Und hinterher hab’n wir Überleben jelernt, aber nich, wie man Jeld verdient. Det Haus hier jehört meinem Vater, deshalb können wir mietfrei wohnen. Sonst könnten wir uns den Schuppen jar nich leisten. Peinlich is bloß, det alle Welt jloobt, wir schwimmen im Jeld. Ick weeß nich, warum, aber hier in die Jejend heißen die Häuser bloß die ›Millionärssiedlung‹. Na, wenigstens ‘nen halben hab’n wir ja – den Lottokönig. Soll ick Sie mal bekannt machen?« Bereitwillig strebte Obermüller auf die Tür zu.
    »Vielen Dank, aber nicht heute«, wehrte ich erschrocken ab. »Wir sind sowieso schon viel zu lange geblieben. Ich habe die Kinder bei Bekannten abgestellt, aber länger als zwei Stunden kann ich sie niemandem zumuten. Und die sind fast herum.«
    »Is ja ooch nich so wichtig. Wir werden uns noch lange jenug jejenseitig uff n Wecker fall’n. Ick freu mich aber trotzdem, det Se herziehn. Endlich mal Leute, mit denen man reden kann. Die andern müssen det erst noch lernen.«
    Obermüllers brachten uns auf Schleichpfaden, aber halbwegs trockenen Fußes zum Wagen, nicht ohne Rolf zu empfehlen,
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