Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
Berufliches durchgekaut und abgehakt hatten, erzählte ich von meiner Irrfahrt durch die Stadt. »Ihr könnt mich totschlagen, aber ich weiß noch immer nicht, wo genau ich jetzt bin.«
    »Aba ick! Wo du jetzt stehst, da war mal Köbes sein Hof. Der is’n kleener Millionär jeworden, als seine janzen Äcker zu Bauland erklärt wurden. Jetzt hat er sich drüben in Bornfeld ‘n dollen Schuppen hinjestellt und macht in Schweinezucht. So, und nu komm mal mit!«
    Ich folgte Obermüller auf den Balkon und blickte direkt auf den Baggersee. »Weeßte jetzt Bescheid?«
    »So ungefähr. Aber wenn hier schon der See ist, dann muß der Wiesengrund doch auch ganz in der Nähe sein.«
    »Isser ja ooch. Wenn du aus’m Küchenfenster guckst und dir die janzen Häuser dazwischen wegdenkst, dann kannste’n beinahe sehen.«
    Unter Dorles kundiger Führung machte ich später einen nostalgischen Spaziergang. Wir schlenderten durch unsere ehemalige Straße, die ihren Namen nun wirklich nicht mehr verdient. Abgesehen von den manikürten Rasenflächen, von denen jedes Haus einige Quadratmeter aufweisen kann, gibt es kaum noch etwas Grünes. Sogar die Gemeinschaftswiese ist zubetoniert. Kunigunde hatte parkenden Autos weichen müssen.
    »Wahrscheinlich hat sie ein pietätloser Mensch verheizt! Die Bungalows da hinten haben alle offene Kamine.« Dorle zeigte in die ungefähre Richtung, wo früher mal Köbes’ Scheune gestanden hatte. Ich sah asphaltierte Straßen, Reihen von Fertiggaragen, Betonklötze für Mülltonnen, Parkplätze und Häuser, Häuser, Häuser…
    Ich war erschüttert. »War das hier wirklich einmal alles grün? Wenn man diese Steinwüste sieht, kann man sich beim besten Willen nicht mehr vorstellen, daß das mal der Vorort eines Vorortes gewesen ist.«
    »Das findest du doch überall«, sagte Dorle. »Wenn man endlich die letzte Rate für sein Häuschen im Grünen bezahlt hat, stellt man fest, daß das Grüne schon dreißig Kilometer weiter hinausgerückt ist. Deshalb haben wir uns damals auch für eine Wohnung entschieden. Wenn auch das letzte Stückchen Natur zugebaut ist, ziehen wir woanders hin.«
    Langsam bummelten wir zurück. »Wohnt eigentlich noch jemand von der ursprünglichen Belegschaft hier?«
    Dorle schüttelte den Kopf. »Außer Straatmanns niemand mehr. Sie müssen beide schon ziemlich klapprig sein, denn seit kurzem lebt eine Pflegerin bei ihnen. Gesehen habe ich sie schon lange nicht.«
    »Und Babydoll?«
    »Die hat tatsächlich ihren Ex-Mann zum zweitenmal geheiratet und ist wieder zu ihm gezogen. Ich glaube, sie wohnt jetzt in der Nähe von Godesberg.«
    Ich fragte weiter. Dorle entpuppte sich als ein lebendes Einwohnermeldeamt. »Frieses sind bald nach euch weggegangen. Nachdem Frau Leiher eines Morgens ganz einfach verschwunden war, haben sie keine neue Hausangestellte mehr gefunden. Da kam Roswitha auf die Idee, daß ich doch tagsüber ihren reizenden Nachwuchs betreuen könnte. Nun bin ich ja wirklich kinderlieb, das weißt du, und das Geld hätte ich damals auch recht gut gebrauchen können, aber Püppi und Achim? Nee, danke. Also mußten Oma und Opa wieder ran. Die wollten aber ihre Wohnung nicht aufgeben, und so sind Frieses in die Stadt gezogen. Wohin genau, weiß ich nicht. Wir haben ja schon vor ihrem Auszug nicht mehr miteinander gesprochen.«
    Zu Hause wartete Michael. »Der ist extra deinetwegen gekommen, obwohl er sich nur noch dunkel an dich erinnern kann«, lachte Dorle, stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihrem Sohn einen Kuß auf die Wange.
    »Ich habe Torte mitgebracht. Der Kaffee ist auch schon fertig!«
    Michael balancierte Kanne und Kuchenteller durch die Gegend, setzte beides unsanft auf den Tisch und sprudelte los: »Beim Bäcker habe ich eben Frau Weise getroffen, und die hat mir erzählt, daß der Fischhändler…«
    »Das darf doch nicht wahr sein!« unterbrach ich ihn lachend, »bist du denn immer noch das Monlinger Tageblatt?«
    »Wat jloobste denn, warum der Jura studiert? Der sammelt sich doch seine künftigen Mandanten schon jetzt uff der Straße zusammen! Nu erzähl mal, wat is denn mit dem Fischhändler?« Obermüllers Neugierde hatte sich aber auch nicht gelegt!
    Wir überließen Vater und Sohn den Tagesneuigkeiten und verkrümelten uns in Dorles Zimmer. »Du hast mich vorhin nach Wittingers gefragt«, nahm sie das unterbrochene Gespräch wieder auf. »Viel gibt es von denen nicht zu erzählen. Das Haus mußten sie natürlich räumen, es wurde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher