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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus
Autoren: Evelyn Sanders
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waren.
    Angesichts des so sichtbaren Beweises half auch die Ausrede nichts mehr, daß sie die Sachen selbstverständlich habe bezahlen wollen, nur sei ihr völlig entfallen, daß sie sie überhaupt eingepackt hatte.
    »Hab’ ich also doch recht gehabt!« triumphierte Frau Heinze, nachdem ich ihr während der Heimfahrt alles erzählt hatte. »Vor ein paar Tagen war sie mit, als ich mir Strümpfe gekauft habe. Ganz genau habe ich es nicht gesehen, aber ich wäre jede Wette eingegangen, daß sie zwei Büstenhalter geklaut hat. Ich hab’s nur nicht glauben wollen!«
    Die Geschäftsleute übrigens auch nicht. Obwohl sie uns später im Brustton der Überzeugung versicherten, daß sie natürlich niemals uns, sondern immer nur Frau Körngen in Verdacht gehabt hätten, war ich davon keineswegs überzeugt. Vermutlich haben sie angenommen, wir hätten alle unter einer Decke gesteckt. Was konnte man auch anderes von Leuten erwarten, die quasi in einem Getto lebten?
    Ein paar Wochen später verschwanden Körngens genauso unauffällig, wie sie gekommen waren. Noch wochenlang haben wir uns den Kopf darüber zerbrochen, ob die Delikatessen, die wir auf der Silberhochzeit vorgesetzt bekommen hatten, auf ähnlich preisgünstige Weise beschafft worden waren.
    »Wenn ja, denn möchte ick zu jerne mal wissen, wie se det mit den Torten jedreht hat! ‘ne Dose Lachs kannste dir in de Manteltasche stecken, aba ‘ne janze Biskuitrolle…?«

Sechzehntes Kapitel
    »Urlaub ist der kürzeste Abstand zwischen zwei Gehaltszahlungen«, sagte Frau Heinze. »In diesem Jahr bleiben wir zu Hause und genießen den Garten. Herr Harbich verreist auch nicht. Er will jetzt endlich seine Doktorarbeit fertigschreiben.«
    »Haben Sie die Hoffnung noch immer nicht aufgegeben?« Wir saßen auf ihrer Terrasse und schnippelten frisch geerntete Bohnen, die Frau Heinze in riesigen Mengen angepflanzt hatte und nun einwecken wollte. »Gläser brauche ich noch«, überlegte sie, »und die Gummiringe werden auch nicht reichen.«
    Hendrik brachte neue Bohnen. »Spätestens zu Weihnachten können Sie die Dinger nicht mehr sehen!« prophezeite ich. »Glauben Sie wirklich, daß Sie durch die Einkocherei so viel Geld sparen?«
    »Na klar! Stellen Sie sich bloß mal vor, ich würde statt dessen jetzt einen Einkaufsbummel machen!« Dann kam sie auf meine Frage zurück. »Wenn wir nicht verreisen und Harbich den ganzen Tag über seinen Büchern hockt, hat er ja zwangsläufig Patricia dauernd vor Augen. Sie rennt doch bei jedem Sonnenstrahl sofort in den Garten. Dieser Mensch müßte einen Blindenhund beantragen, wenn er dann nicht endlich anbeißen würde. Ihren Urlaub können die beiden ja nachholen – während der Flitterwochen. Venedig ist auch im Herbst noch schön.«
    Im vergangenen Jahr hatten wir aus Geldmangel auf eine Reise verzichten müssen; sehr viel rosiger sah es auch jetzt nicht aus, aber nach Rolfs Ansicht würde es für drei Wochen Allgäu gerade noch reichen. Damals war ein Urlaub in Deutschland noch preiswert und längst nicht so teuer wie Alassio oder Mallorca. Aber auch nicht so vornehm. »Selbst wenn die Raumfahrt einmal etwas Alltägliches ist, wird es immer noch Leute geben, die sich einen Urlaub nur auf der Nachtseite des Mondes leisten können«, sagte Rolf, nachdem er lange stöhnend über dem Reisebudget gesessen hatte.
    Ich versuchte ihn zu trösten. »Du mußt das mal von der positiven Seite nehmen! Sei froh, daß wir nur blank sind und nicht arm!«
    Sein Blick sprach Bände. »Ich wäre aber viel lieber mit euch ans Meer gefahren.«
    »Als Frau fährt man entweder in die Berge, um die Aussicht zu genießen, oder an den Strand, um Aussicht zu bieten. Eine Badeschönheit bin ich aber nicht mehr, also ist mir das Gebirge sowieso lieber.« Die letzte Behauptung war absolut falsch. Ich bin nicht schwindelfrei, habe fürs Wandern nichts übrig, finde Berge zwar beeindruckend, aber nur von unten, und weil ich keine Kuh bin, können mich auch die saftigen Wiesen nicht reizen. Weshalb es unbedingt das Allgäu sein mußte, verstand ich ohnehin nicht. Das Sauerland hätte den gleichen Zweck erfüllt, und es lag näher dran.
    Urlaub ist, wenn man drei Koffer, zwei Reisetaschen, zwei Kinder, einen Goldhamster und noch eine Menge Diverses ins Auto packt und sagt: »Wie gut, mal alles hinter sich zu lassen!«
    Dann hängt man stundenlang auf der Straße, vor sich mit ihren Wohnwagenanhängern wedelnde Autos, hinter sich streitende Kinder, denen dauernd
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