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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus
Autoren: Evelyn Sanders
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förmlich an. Laßt se man in dem Jlauben, det er’n anständijer Mensch is. So brav und bieder, wie die aussieht, tut die sich jlatt wat an, wenn se die Wahrheit erfährt. Mir tut’s ja bloß leid, det Vogts det eben nich miterlebt hab’n. Ick hätte zu jern die Jesichter von denen jesehn!«
    Wir nahmen uns also vor, über die ganze Geschichte zu schweigen, den ohnehin sehr lockeren Kontakt zu Körngens aber langsam einschlafen zu lassen.
    »Jejen die beeden Alten hab’ ick ja nischt, aba irjendwie färbt die janze Atmosphäre denn doch uff uns ab. Meine Mutter hat mir schon früher immer jepredigt: Zeije mir, mit wem du umjehst, und ick sage dir, wer du bist.«
    »Verallgemeinern kann man das aber auch nicht«, sagte ich. »Judas zum Beispiel hat vorbildliche Freunde gehabt.«
    Ganz so einfach war es aber doch nicht, Frau Körngens Anhänglichkeit zu ignorieren. Nach wie vor mußte sie auch gerade dann zum Einkaufen gehen, wenn wir mit unseren Taschen losmarschierten. Natürlich konnten wir ihre Begleitung nicht ablehnen, ohne sie ernsthaft zu brüskieren, und so änderte sich eigentlich gar nichts. Allerdings habe ich nie wieder ihr Haus betreten, und soweit ich mich erinnern kann, auch keine meiner Nachbarinnen. Im übrigen hofften wir alle, daß den durchweg soliden Bewohnern Monlingens die Existenz jener »Fledermaus« gar nicht bekannt war, und wenn doch, daß wenigstens niemand auf die Idee kommen würde, den Besitzer dieses Etablissements mit unserer Siedlung in Verbindung zu bringen.
    Anscheinend war aber etwas durchgesickert. Anders konnte ich mir die Zurückhaltung und die betonte Förmlichkeit nahezu sämtlicher Geschäftsbesitzer nicht erklären. Sie waren höflich, aber reserviert, und hatten wir uns früher oft über Monlinger Tagesklatsch unterhalten, so ließen sie sich jetzt nicht mal mehr auf ein Gespräch übers Wetter ein.
    »Stehen wir eigentlich unter Quarantäne und wissen nichts davon?« Dorle war gerade von ihrer Einkaufstour zurückgekommen und knallte das mitgebrachte Suppenhuhn auf den Tisch. »Weißt du, was mir eben passiert ist? Ich wollte meine Pullover von der Reinigung holen, und weil es so wahnsinnig voll war, bin ich wie üblich an den Ständer gegangen und habe mir die Sachen schon mal zusammengesucht. Da faucht mich doch diese hysterische Ziege hinter dem Ladentisch an: ›Nehmen Sie Ihre Hände da weg! Sie haben hier überhaupt nichts anzufassen!‹ Sag mal, die muß doch verrückt geworden sein! Immerhin habe ich noch im vergangenen Jahr zwei Wochen lang bei ihr ausgeholfen, als sie diese scheußliche Kieferoperation gehabt hatte. Und jetzt behandelt sie mich, als sei ich aussätzig!«
    Dorles Empörung dauerte nur noch ein paar Tage, dann platzte endlich die Bombe. Und natürlich war ich es, die zum Räumkommando gehörte. Frau Körngen hatte mich wieder einmal zum Supermarkt begleitet und sehr erfreut vernommen, daß Frau Heinze mit dem Wagen folgen und später unsere Einkäufe mit nach Hause nehmen würde.
    »Wenn ich nicht alles zu tragen brauche, dann kann ich ja gleich ein paar Vorräte kaufen. Ich habe immer gern etwas im Haus.«
    Während ich mich um Blumenkohl und Marmelade kümmerte, verschwand Frau Körngen hinter dem Regal für finanzkräftige Kunden. Dort konnte man von russischem Kaviar bis zu kanadischem Lachs alle Delikatessen finden, die sich in Dosen konservieren lassen. An der Kasse trafen wir wieder zusammen. Als ich meine gerade bezahlten Einkäufe in die Plastiktüten packte, legte Frau Körngen nur eine Tube Senf und zwei Gurkengläser auf das Transportband.
    Plötzlich stand der Geschäftsführer vor uns. »Würden Sie mir bitte in mein Büro folgen?«
    Entgeistert sah ich ihn an. »Weshalb denn?«
    »Wir sind angewiesen, Stichproben zu machen. Im übrigen meine ich nicht Sie, sondern die Dame neben Ihnen.«
    Mit einem sonnigen Lächeln erklärte sich Frau Körngen zum Mitkommen bereit. Vorher drückte sie mir noch ihre Strohtasche in die Hand. »Stellen Sie die doch bitte schon ins Auto. Da sind nur die beiden Brote und der Hefezopf vom Bäcker drin.«
    Wir waren noch gar nicht beim Bäcker gewesen!
    »Auf diese Tasche kommt es mir aber gerade an«, sagte der Geschäftsführer, nahm sie und kippte ihren Inhalt auf das Transportband.
    Ich traute meinen Augen nicht! Neben Büchsen mit Artischockenböden, Kaviar und Nordseekrabben kamen auch Pralinen zum Vorschein, ein Glas Hummermayonnaise und Gänseleberpastete – alles Dinge, die gut und teuer
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