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Radau im Reihenhaus

Radau im Reihenhaus

Titel: Radau im Reihenhaus
Autoren: Evelyn Sanders
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Lächeln die neueste Creation des Hauses Dior präsentierte. Zumindest wurde das in der Bildunterschrift behauptet.
    »Genauso wird Patricias Kleid aussehen! Ich weiß auch schon eine Schneiderin, die das haargenau kopieren kann.«
    Entsetzt blickte Heinze auf das Hochglanzfoto. »Ich hab’ ja nichts dagegen, daß der Tassilo sie bekommt, aber muß es denn unbedingt in einer Geschenkpackung sein?«
    »Ich nehme sie auch ganz ohne!« beteuerte der.
    Sein Schwiegervater runzelte die Stirn. »Das glaube ich dir gerne! Eure Mütter sind noch so altmodisch, daß sie sich genau erinnern können, wann und wo sie von ihrem Mann den ersten Kuß bekommen haben, aber ihre Töchter können sich oft genug nicht mal mehr an ihren ersten Mann erinnern!«
    »Aber doch nicht Patricia!« empörte sich Frau Heinze.
    »Natürlich nicht!« Heinze bekam einen hochroten Kopf. »Das sollte nur eine ganz allgemeine Feststellung sein.«
    Ein grundlegender und unausrottbarer Widerspruch in der männlichen Natur: Kein Vater von vierundvierzig will, daß seine Tochter tut, was die Töchter anderer Väter tun sollten, als er zweiundzwanzig war!
    Es wurde doch ziemlich spät, als wir endlich ins Bett kamen. Und selbst dann war an Schlafen nicht zu denken. Rolf zündete sich eine Zigarette an, was gleichbedeutend war mit der Einleitung zu einem längeren Gespräch. »Kennst du eigentlich Süddeutschland?« begann er denn auch.
    »Und ob ich es kenne! Berge, Wiesen, Kuhglocken und vor allem Regen.«
    »Unsinn! Ich rede doch nicht vom Weißwurstäquator. Was ich meine, ist zum Beispiel Stuttgart. Eine wunderhübsche Stadt, gemütlich, sauber, herrlich gelegen, sogar Weinberge gibt es. Hast du schon mal einen Weinberg gesehen?«
    »Nein.
Weinflaschen
sind mir lieber.« Ich gähnte herzhaft. »Was soll das Gequassel überhaupt? Könntest du den Geographieunterricht nicht bitte auf morgen verschieben? Ich bin müde.«
    Zwei Augenblicke lang war Ruhe. Dann: »Manchmal fehlt dir die Großstadt ja doch, nicht wahr?«
    »Natürlich. Besonders jetzt! Dann könnte ich nämlich ins nächste Hotel gehen und schlafen.«
    »Entschuldige!« Er drückte seine Zigarette aus, zündete aber sofort eine neue an.
    »Du weißt genau, daß ich es nicht leiden kann, wenn du das Schlafzimmer vollqualmst!«
    »Entschuldigung!« Die Zigarette wurde im Aschenbecher zerquetscht. »Mach doch endlich das Licht aus!« Maulend drehte ich mich auf die andere Seite.
    Der Schalter klickte. Himmlische Ruhe.
    »Den Heuss hast du doch immer gerne reden gehört?«
    Mit einem Ruck saß ich aufrecht. »Jetzt reicht’s mir langsam! Papa Heuss war ein netter alter Herr, und ich hörte ihn auch gerne reden, aber nicht mitten in der Nacht!«
    »Ich meine doch nur – ich wollte sagen, du findest den schwäbischen Dialekt also auch hübsch?«
    »Ja, verdammt noch mal!« Was wollte dieser Mensch eigentlich?
    »Weißt du überhaupt, daß die Schwaben ein ganz besonders tüchtiger Menschenschlag sind? Fleißig, genügsam, arbeitsfreudig, sparsam, immer bestrebt, sich etwas zu schaffen, aufzubauen…«
    »So was nennt man Bienen! Willst du Imker werden?«
    »Quatsch! Aber…« Die nächste Zigarette. »Nun paß mal auf, aber geh nicht gleich wieder die Wände hoch!« Rolf gab sich einen energischen Ruck. »Dieser angebliche Kunde, den ich in der vorigen Woche besucht habe, ist gar keiner gewesen. Ich war nämlich in Stuttgart. Eine namhafte Druckerei will mich als Werbeleiter und Repräsentant für Baden-Württemberg haben. So ein Angebot kriegt man nicht alle Tage. Anständiges Gehalt, großzügige Spesen, Provisionen, sogar einen Wagen bekäme ich gestellt. Du könntest also unseren ganz allein für dich haben. Der einzige Pferdefuß bei der Sache: Wir müßten nach Stuttgart ziehen.«
    Jetzt angelte ich auch nach einer Zigarette. »Und wann?«
    »Möglichst schon vorgestern. Aber so Hals über Kopf geht es natürlich nicht. Ich denke, zwei bis drei Monate haben wir noch Zeit. Es kommt auch darauf an, wie schnell wir eine Wohnung finden.«
    »Du glaubst also nicht, daß es länger dauert als drei Monate?«
    »Auf keinen Fall. Warum?«
    Ich holte tief Luft: »Weil unsere Tochter dann ein Schwobemädle wird!«
    »Unsere – waaas???« Jetzt hatte ich
ihn
aus der Ruhe gebracht.
    »Wer wollte denn mindestens drei Kinder haben?«
    Mit gespieltem Entsetzen raufte er sich die Haare. »Aber doch nicht stückweise! Weißt du denn nicht, daß ein erhöhter Produktionsausstoß die Kosten senkt? Wenn ich
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