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Rachsucht

Titel: Rachsucht
Autoren: M Gardiner
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streckte die Arme aus dem Fenster. Als er Kopf und Schultern aus der Öffnung schob, geriet der Wagen aus dem Gleichgewicht und schaukelte wie eine Wippe. Die Vorderreifen lösten sich vom Boden.
    Ich warf mich mit dem Oberkörper auf die Motorhaube, um ein Gegengewicht zu schaffen. Ganz langsam senkte sich die Fahrzeugfront wieder, allerdings nur um wenige Zentimeter.
    Ich starrte Rudenski an. »Rühr dich nicht von der Stelle. Mach keinen Mucks.«
    Aber er konnte nicht anders. Erneut versuchte er, sich durch das Fenster zu zwängen. Erst als der Wagen ins Schaukeln
geriet und so weit kippte, dass meine Füße in der Luft hingen, gab er es auf. Das Fahrzeug senkte sich wieder, bis ich festen Boden unter den Füßen spürte.
    »Hilfe!« Rudenskis Stimme erinnerte mich zunehmend an den Chihuahua.
    Jesses Tür stand noch offen. Vorsichtig spähte er nach draußen.
    »Holt mich aus dieser Scheißkarre!«, kreischte Rudenski.
    Jesses Blick begegnete dem meinen. Er schien keine Angst zu haben, aber sein Gesicht war wehmütig. So wollte ich ihn nicht in Erinnerung behalten.
    »Schaffst du es, aus dem Auto rauszukommen?«, fragte ich.
    »Nein.«
    »Okay, hier ist der Deal«, sagte Rudenski. »Ich setze mich wieder ins Auto. Wenn Gidget mir hilft, werfe ich das Hackbeil aus dem Fenster. Ansonsten zerlege ich Blackburn damit.«
    »Hör nicht auf ihn«, warnte Jesse.
    »Hilf mir, sonst schlitze ich ihm die Kehle auf. Ein Schlag genügt«, drohte Rudenski.
    »Das tust du nicht, Ev«, sagte Jesse.
    »Doch, das tut sie. Sie muss. Ihr bleibt keine Wahl.«
    Jesses Blick bohrte sich in den meinen. Er zog den Sicherheitsgurt über seiner Schulter fest und packte das Lenkrad mit beiden Händen.
    »Ich zähle bis drei«, fauchte Rudenski.
    Ich versuchte zu verstehen, welche Botschaft Jesse mir übermitteln wollte. Wenn ich tat, was Rudenski wollte, würden Jesse oder ich sterben. Rudenski würde seine Waffe nicht aufgeben. Er würde sie benutzen.

    »Eins«, zählte Rudenski. »Hilf mir. Wenn du mich hier rausholst, helfe ich dir, Blackburn zu retten.«
    »Er lügt«, sagte Jesse.
    »Ich weiß.« Ich sah ihn an.
    »Zwei. Du blöde Kuh, das ist die einzige Möglichkeit.«
    Jesse wartete auf meine Antwort.
    Ich erwiderte seinen Blick. »Vertraust du mir?«
    »Mit meinem Leben«, sagte er.
    »Drei!«
    Ich sprang zurück und ließ die Motorhaube los.
    Der Audi kippte rückwärts, die Vorderräder hingen in der Luft. Rudenski stieß einen schwachen Schrei aus. Nach einem Augenblick begann der Wagen rückwärts über die Kante zu rutschen. Dann zerriss ein furchtbares Getöse die Dunkelheit.

35. Kapitel
    Der Staub war so dick, dass ich im Strahl der Taschenlampe am Fuß des Hangs nur eine weiße Wolke erkennen konnte. Der Spur folgend, die der Wagen im flach gedrückten Gras hinterlassen hatte, spurtete ich die Böschung hinunter.
    Die Taschenlampe gehörte Harley. Ich hatte sie im Mercedes auf dem Boden unter dem Mobilfunkscanner und dem Empfänger für das mobile Ortungssystem gefunden. Harley war noch immer bewusstlos.
    Rudenski lag mitten in der Schneise im Gras. Schon auf den ersten Blick war mir klar, dass der Audi über ihn hinweggerollt war.
    Er lebte noch. Ich leuchtete ihm mit der Taschenlampe ins Gesicht. Aus seiner Nase sprudelte das Blut, und sein Kiefer wirkte merkwürdig schief, aber seine Augen starrten mich an. Er hob die Hand, nicht bittend, sondern drohend.
    Ich ließ ihn liegen und lief weiter durch das unebene Gelände. Der Wagen hatte sich überschlagen. Das Dach war auf einer Seite eingedrückt, die Räder drehten sich in der Luft.
    »Jesse?«
    Ich ließ mich auf alle viere fallen und leuchtete mit der Taschenlampe in die zerbrochenen Fenster. Als Erstes bemerkte ich im Lichtkegel das Blut, das Jesses Gesicht bedeckte.
    »Jesse, kannst du mich hören?«
    Er hing im Sicherheitsgurt. Der Abstand zwischen seinem
Kopf und dem eingedrückten Dach betrug keine drei Zentimeter.
    Er blinzelte und verzog das Gesicht. »Wo ist Rudenski?«
    »Oben am Hang. Es hat funktioniert.« Mit zitternder Hand griff ich durch das Fenster. »Du bist verletzt.«
    »Das ist nur ein Kratzer. Ist er tot?«
    Meine Stimme bebte. »Er lebt, aber von dem haben wir nichts mehr zu befürchten.«
    »Hilf mir raus.«
    Ich leuchtete mit der Taschenlampe in den Wagen. Soweit ich sehen konnte, klemmte er hinter der Lenksäule in dem völlig zerstörten Innenraum fest.
    »Vielleicht warten wir besser auf den Krankenwagen.« Meine Stimme klang beschämend
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