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Rachespiel

Rachespiel

Titel: Rachespiel
Autoren: Niamh O'Connor
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wieder die Schulbank zu drücken. Seine Botschaft, nämlich worauf Männer sich freuen konnten, wenn sie sich noch einmal auf das Bildungssystem einließen, war eigentlich widerwärtig, aber sie hatte keinen Protest erhoben. Geld war Geld, auch wenn für einen solchen Fototermin – das Alltagsgeschäft des Modelberufs – nur ein Hungerlohn gezahlt wurde. Sie brauchte im Moment jeden Cent.
    »Du siehst scharf aus, Schätzchen. Gehst du mit mir was trinken?«
    Tara wurde sauer. »Was kippst du dir denn gern hinter die Binde?«, rief sie zurück. »Limo auf Eis?«
    Zwei Kumpels des Jungen, die die gleichen klobigen Silberketten um den Hals trugen und gerade mit Armladungen voller Chips und Schokolade aus der Tanke kamen, lachten, als sie Taras Abfuhr hörten. Der Bubi-Raser wurde rot und ließ den Motor aufheulen.
    Tara hängte die Zapfpistole ein. Sie beugte sich ein wenig nach vorne, wobei sie die Augen mit den Händen abschirmte, um durch die Scheibe nach Presley zu sehen, und musterte dann die Schlange vor der Kasse drinnen, die sich bis zum Eingang hinzog. Es war auf jeden Fall besser, ihn im Auto zu lassen, entschied sie. Sie richtete den Funkschlüssel auf den Mini, überlegte es sich dann aber anders, damit Presley nicht versehentlich den Alarm auslöste. Falls er mit seinem Arm oder Fuß gegen das Fenster stieß und der Autoalarm losging, würde er aufwachen, merken, dass er allein war, und Angst bekommen. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war ein heulendes Kind auf dem ganzen Heimweg.
    Die Frau in dem Jaguar hupte schon wieder, woraufhin Tara ihre Vivienne-Westwood-Jacke herausholte, sie sich über den Kopf hielt, um nicht nass zu werden, und zum Entzücken der Bubi-Raser auf den Eingang zusprintete. Sie feuerten sie mit Rufen und Pfiffen an und fuhren ihr im Schleichtempo hinterher, wobei über der Stoßstange eine Reihe von blauen Lämpchen aufblinkte.
    Drinnen eilte sie an einem langen Regal voller Fertig mahlzeiten von der Sorte vorbei, über die man nur kochen des Wasser zu gießen brauchte. Der Laden war schäbig, aber wenigstens bewegte sich die Schlange schnell voran, und es standen nur noch drei Leute vor ihr. Dann geriet alles ins Stocken. Tara reckte den Hals, um zu sehen, was das Problem war. Ein Kunde mit kahl rasiertem Kopf und einem Staffordshire-Bullterrier im Schlepptau gab vor, den Akzent des Chinesen an der Kasse nicht zu verstehen. »Was?« und »Können Sie das mal auf Englisch sagen?«, wiederholte er ständig. Tara seufzte. Wenn das so weiterging, würde sie noch ewig hier herumstehen.
    Sie versuchte, durch das Schaufenster zu Presley hinüberzusehen, konnte aber nichts erkennen. Es war so dunkel draußen, dass die Neonlichter an der Decke die große Glasfront in einen Spiegel verwandelten.
    Also konzentrierte sie sich auf den Überwachungsbildschirm über der Kasse und beschwor ihn, eine Aufnahme von ihrem Auto einzublenden. Ganz kurz erkannte sie die Streifen auf der Motorhaube des Mini, aber schon zuckte das Bild eines anderen Wagens auf, ehe sie dazu kam, Genaueres auszumachen.
    Der Glatzkopf wurde aufgefordert beiseitezutreten, weigerte sich aber. Ein Mann in einem Anzug, der direkt hinter ihm stand, schob sein Geld an ihm vorbei durch den Schiebeschlitz an der Theke. »Ich hab’s eilig«, sagte er.
    Glatzkopf riss an der Leine seines Hundes, und der Köter fing an zu knurren.
    Tara richtete ihren Funkschlüssel aufs Fenster, dorthin, wo sie den Mini vermutete, und drückte die Taste. Presleys Sicherheit war ihr plötzlich wichtiger als die Möglichkeit, dass er sich beim Auslösen des Alarms erschrecken könnte. Als zwei orangefarbene Blinker zur Antwort aufleuchteten, atmete sie erleichtert auf.
    Der Hund bellte jetzt. Hinter ihr in der Schlange drängte sich jemand auf eine Weise an sie, dass sich ihr die Nackenhaare aufstellten. Sie knöpfte ihre Jacke bis oben hin zu, bevor sie sich umdrehte. Ein pickeliger Teenager, der die Kapuze seines weißen Sweatshirts ganz über den Kopf gezogen hatte, stieß sie mit der Schulter an.
    »Wette, der hat ein Messer«, sagte er und deutete mit dem Kinn auf den Glatzkopf.
    Der Junge sah aus wie ein Junkie – glasige Augen und eine nasale Sprechweise, aber sein Akzent war zu fein für diese Gegend. Irgendwie war es gruselig, wie er sie anstarrte, weshalb sie so viel Abstand wie möglich zwischen sich und ihn brachte, ohne den alten Mann vor ihr anzurempeln. Ein Autoalarm heulte draußen los, und sie fuhr herum und starrte
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