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Rachespiel

Rachespiel

Titel: Rachespiel
Autoren: Niamh O'Connor
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von einer Reinigungskraft im Gang verteilten Desinfektionsmittels trieb ihr jetzt die Tränen in die Augen. Die vergrabenen Erinnerungen an den Tod ihres Vaters lagen nie weit unter der Oberfläche ihres Bewusstseins. Der Gedanke daran, dass Dan auch hier landen könnte, weil jemand es darauf abgesehen hatte, ihm wehzutun, entsetzte sie mehr, als wenn er bei irgendeinem Unfall verletzt worden wäre. Er war ein guter, anständiger Mann, und sollte sie die Chance, ja die Ehre erhalten, wieder ihr Leben mit ihm teilen zu dürfen, würde sie ihn nie wieder loslassen.
    Auf dem Weg durch die Station blickte sie in jedes Zimmer hinein. Nachdem ein paar Vorbeikommende sie befremdet angesehen hatten, merkte sie, dass sie beim Gehen »Bitte mach, dass es Dan gut geht« vor sich hingeflüstert hatte.
    Tara lag in einem Einzelzimmer, halb aufgerichtet und in einem dünnen, grünen Krankenhauskittel, unter dem die Kabel eines Herzmonitors zu einer weiteren Apparatur verliefen.
    Sie sah viel älter aus und sehr zerbrechlich, als erforderte die kleinste Bewegung nun ihre volle Konzentration. Ihre Haare hingen strähnig herab, und ihre matten, tief in den Höhlen liegenden Augen sahen teilnahmslos zu, wie Jo sich die Hände unter einem Spender mit einem Desinfek tionsmittel gegen jede Art von Krankenhaus-Superbazillen wusch. Kaum hatte Jo auf einem Stuhl neben dem Bett Platz genommen, fing einer der Monitore an zu piepen.
    Eine Schwester blieb abrupt im Gang stehen, als sie Jo entdeckte, und kam herein.
    »Haben Sie die Schilder wegen des Norovirus’ nicht gesehen?«, fragte sie streng. »Keine Besuche.«
    »Ich bin kein Besuch«, sagte Jo, stand auf und zeigte ihren Polizeiausweis vor.
    »Beeilen Sie sich«, sagte die Schwester unbeeindruckt. »Sie bekommt gleich eine Infusion.«
    »Sollte hier nicht eine Wache sein zu ihrem Schutz?«, fragte Jo leise.
    »Es war mal kurz einer da«, antwortete die Schwester. »Aber er meinte, er wäre auf Anweisung von oben abgezogen worden.«
    Jo beugte sich über Tara, als die Schwester ging. »Wie fühlen Sie sich?«
    Tara nickte kaum merklich. »Presley?«, fragte sie schwach.
    »In Sicherheit bei Ihrer Mutter«, sagte Jo.
    »Ich möchte ihn sehen«, krächzte Tara und versuchte, sich aufzusetzen.
    »Zuerst müssen Sie dafür sorgen, dass Sie clean werden«, sagte Jo. »Sie brauchen professionelle Hilfe. Diesmal haben Sie um Haaresbreite überlebt, aber was passiert, wenn Sie mit dem Stress des Gefängnisalltags fertigwer den müssen? Dort sind jede Menge Drogen im Umlauf. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bevor Sie im Knast auch eine Überdosis nehmen, so, wie Sie mit sich umgehen.«
    Taras Augen wurden groß. »Gefängnis! Was habe ich denn getan?«
    »Suchen Sie sich’s aus. Unter anderem sind Sie zu der Tankstelle gefahren, um eine Drogenlieferung abzuholen«, antwortete Jo.
    »Von den Drogen wusste ich nichts«, sagte Tara. »Das schwöre ich bei Presleys Leben.«
    »Können Sie dasselbe über den Mord an Imogen sagen?«, forschte Jo.
    Ein anderer Apparat begann wütend zu piepen. Jo stellte fest, dass es das Überwachungsgerät für den Blutdruck war. Die Apparaturen, die für Lügendetektoren verwendet wurden, waren diesen hier nicht unähnlich; Stressanalyse beruhte hauptsächlich auf der Messung von Herzfrequenz und Schweißabsonderung. Jo wusste, dass sie auf der richtigen Spur war.
    »Jeff hat mir alles erzählt, als wir ihn festgenommen haben«, sagte sie. »Sie dachten, Imogen hätte Presley entführt, nicht wahr? Deswegen haben Sie sie getötet.«
    »Ich will Presley sehen«, wiederholte Tara stur. »Wann bringen Sie ihn endlich zu mir? Mick weigert sich, Mum weigert sich. Bitte …«
    »Ich lasse ihn noch heute Nachmittag herbringen, wenn Sie mir die Wahrheit über das sagen, was sich an der Tankstelle abgespielt hat, und wenn Sie mir versprechen, einen Entzug zu machen. Sie werden beweisen müssen, dass Sie Presley eine gute Mutter sein können. Er braucht all den teuren, ausgefallenen Kram nicht, den Sie ihm kaufen. Er braucht Sie.«
    Tränen liefen über Taras Gesicht, und dann begann sie zu reden.

67
    »Fitz war über das Geschäft mit dem Escort-Service enttäuscht«, sagte Tara leise. »Er hat Imogen deswegen die Hölle heißgemacht. Sagte, sie hätte ihn reingelegt, ihm vorgelogen, wie viel Geld damit zu verdienen sei. Er würde alle Risiken auf sich nehmen, meinte er, und kaum Gewinn daraus ziehen.«
    »Reden Sie weiter«, ermutigte Jo sie und drückte ihre Hand.
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